Freitag am frühen Nachmittag: Wind kommt auf, der Himmel verdunkelt sich zusehends und es scheint gleich einnachten zu wollen. Die Windböen verstärken sich und plötzlich bricht ein orkanmässiger Gewittersturm los, der erbarmungslos über das Kiran fegt. Die Menschen suchen Zuflucht in den Häusern. Die Gärtner verkriechen sich in ihr Gerätehäuschen, welches neben unserem Guest-House liegt. Sie plaudern und lachen - es scheint, sie finden gefallen, an der erzwungenen Pause und Regen ist sowieso jederzeit willkommen. Der Sturm ist so stark, dass an ein Weiterarbeiten nicht zu denken ist. Wir spüren die Gewalt der Natur, die Bäume scheinen sich verzweifelt zur Wehr zu setzen, der Regen peitscht gegen die Scheiben. Es herrscht praktisch Nacht...
Nach etwa einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Die Pflanzen liegen tief im Wasser, zum Glück haben wir hier erhöhte Gehwege im Kiran. Für die Gärtner beginnt die grosse Aufräumarbeit. Etliche Bäume hielten dem Sturm nicht stand. Wir sind froh, haben wir uns bereits vorher entschieden, erst am Samstag in die Stadt zu fahren.
Es ist Samstag nach drei Uhr und wir fahren zusammen mit anderen, welche noch in die Stadt müssen, Richtung Varanasi, wo wir zwei Mal übernachten wollen. Wir sitzen im neuesten Kiran-Bus, welcher sogar über eine funktionierende Klimaanlage verfügt. Draussen ist es wieder einmal tropisch heiss, die kurze Abkühlung vom Vortag ist längst wieder vergessen. Die anderen steigen beim BHU-Gate aus und Sangeeta bittet den Fahrer, uns doch schnell bis zu Raju zu bringen und dann anschliessend zurückzukehren. Uns ist das natürlich recht, obwohl es ja nur etwa ein Kilometer zu Fuss wäre. Aber in dieser Hitze?! Vor der letzten Abzweigung, wo es etwas enger wird, sage ich "Bas, bas", was soviel heisst wie Stop oder das reicht. Den Rest können wir zu Fuss gehen. Als der Fahrer aber trotzdem abbiegt und wir die riesige Wasserlache sehen, welche sich etwa über eine länge von zwanzig Metern knietief quer über die Strasse ausbreitete, sage ich auf gut Hinglisch "No bas" und grinse den Fahrer an. Raju's Haus liegt in einem Quartier, das zwar etliche schöne Häuser hat, aber strassenabwassertechnisch von den städtischen Baubehörden noch nicht beglückt wurde oder einfach vergessen wird. So verwandelt ein Regen wie gestern die "Strassen" in ein Gemisch aus Schlamm, Dreck, versteckten Löchern, Pfützen und brüchigem Strassenbelag. Und es dauert jeweils ein paar Tage, bis das Wasser durch die Sonneneinstrahlung verdunstet ist, denn abfliessen tut es nicht wirklich. Mich würde mal wundernehmen, wie das hier aussieht, wenn der richtige Monsun kommt? Ganz in der Nähe wird ein neues, riesiges Universitäts-Spital gebaut, das zur BHU gehören wird. Mit Helikopter-Landeplatz und allem -halt wohl nur für die Reichen. Es bleibt aber zu hoffen, dass dann Raju's Quartier in dem Sinn profitieren kann, dass eventuell die Umgebung strassenbaulich etwas aufgemotzt wird.
Deepali, Raju's Frau, freut sich sehr, dass wir wieder da sind. Ich denke, wir sind eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltag. Raju ist nicht da, er sei unterwegs bei der Station (Bahnhof). Wir kriegen einen Chai und machen uns dann auf in die Stadt. Vorher machen wir mit Deepali noch die Zeit fürs Abendessen ab und fragen, ob es einen Weg gibt, die Wasserlache zu umgehen. "Nahii" ist die Antwort. So gehen wir los und stehen schon nach kurzer Zeit vor dem Hindernis. Da gibt es nichts anderes, als Schuhe ausziehen, Hosen hochkrempeln und durch die braune Brühe waten. Louis behält seine Sandalen an (matschmatsch) und Sämi findet, Claudia zeige zuviel Bein beim Waten, man sehe ja sogar die Knie. Überhaupt sind unsere Kinder sehr kritisch bezüglich der herrschenden Kleidervorschriften. Immer wieder machen sie uns auf westliche Touristen aufmerksam, welche für sie, mit dem kritischen Blick von kleinen "Fast-Indern" beobachtet, halbnackt rumlaufen. "Lueg jetz mou die dört a! Die isch wieder super agleit für Indie!! Churzi Hose und es Trägerliibli."
Mit einer Autoritschka ("ziemli e Bütti!" - auch hier der kritische Blick, schliesslich gibt es ganz schöne und solche, die fast auseinanderfallen) fahren wir nach Godowlia und spazieren dann Richtung Dasashwamedh Ghat. Wieder einmal mache ich einen Versuch, in einem Schuhladen, ein paar Flip-Flops für mich zu finden. Aber jedes Mal, wenn ich sage, ich bräuchte Schuhgrösse 11 oder 12 (45 oder grösser) verdrehen die Verkäufer entweder die Augen, Zucken mit den Schulter oder versuchen mir verzweifelt mit einem "this is big number" Grösse 9 oder 10 unterzujubeln.
Fazit 1: In Varanasi - und ich befürchte in ganz Indien - ist bei Grösse 10 einfach Schluss! So bleibt mir schliesslich nichts anderes übrig, als mich damit abzufinden, dass ich ab sofort Schuhgrösse 44 trage und kaufe mir davon das am wenigsten zu kleine Paar.
Fazit 2: Es nützt nichts, nur im Wissen, dass die Schuhe billiger sind, absichtlich nur ein einziges Paar Schlappen und dafür das grosse Portemonnaie mit nach Indien zu nehmen, wenn du auf grossem Fuss lebst.
Nun, viele, vor allem ärmere Inder latschen mit viel zu grossen Latschen rum, da passe ich mich halt diametral an und trage zu kleine.
Am Dasashwamedh Ghat setzten wir uns auf die grossen Stufen und schauen dem Treiben zu. Die Treppen sind erst lichte gefüllt und vorne am Ganges sind die Vorbereitungen für die allabendliche Puja im Gange. Da wir eine solche noch nie gesehen haben, entscheiden wir uns hier zu bleiben, obwohl es eine ziemliche "Touristen-Show" ist. Aber schliesslich sind wir ja auch Touris. Natürlich will uns ständig jemand etwas verkaufen. Einem Mädchen kaufen wir fünf Palmblätterschälchen mit Blumen und einer Kerze drin ab. Sie sind gedacht, als kleines Kerzenboot Mutter Ganges zu übergeben. Wir lassen uns diese anzünden und gehen hinunter ans Wasser, wo wir sie, mit unseren individuellen Wünschen und Gedanken dem heiligen Fluss übergeben. Gemächlich gehen wir wieder die Treppe hoch in Richtung, wo wir vorher gesessen sind. Da fällt mir im Halbschatten der Treppe etwas auf, das am Boden liegt. Mein Handy!! Glück gehabt, das Ding ist mir beim Sitzen aus der Beintasche gerutscht. Ist zwar ein völlig untrendiges, vorsteinzeitliches Modell, aber trotzdem: "Danke, Mutter Ganga", denke ich nur. Die Stimmung ist friedlich und schön. Es kommen immer mehr Leute und schliesslich beginnt die Feuer-Puja, welche von fünf Männern in schönen, orangen Gewändern zelebriert wird. Es ist interessant - wie immer - den Leuten, dem Palaver, dem Hin- und Her zuzuschauen.
Obwohl wir eigentlich erst auf 21 Uhr abgemacht haben, klingelt mein Handy schon etwa drei viertel Stunden vorher: "This is Raju! Dinner is ready, come!" Wir sind bereits auf dem Rückweg und geniessen anschliessend das feine Essen und das gemütliche Plaudern mit Raju's Familie. Und natürlich sitzen unsere Kinder mit Vivek und Vasha noch etwas vor der Glotze.
Die Nacht ist im Gegensatz zum letzten Wochenende traumhaft. Wir schlafen alle im gleichen Raum und können so die beiden Ventilatoren optimal einsetzen und Durga-Puja-Feiertag-sei-Dank, haben wir die ganze Nacht Strom!!! Das gibt es sonst nur, wenn irgendwelche Wahlen bevorstehen. Auch haben wir eine Mückenspirale angezündet, da wir hier ja keine Moskitonetze haben. Das Einzige, was uns weckt, ist das Gescheppere der Metalltüren, als Raju's Familie mit Getöse nach Hause kommt. Sie wollten eigentlich über Nacht bei Bekannten bleiben, haben sich's aber dann doch anders überlegt. Und in Indien scheint man sich halt nicht aus Rücksicht auf die Nachbarschaft ins Haus zu schleichen, sondern tut genau so, als wäre es helllichter Tag.
Sämi unser Held, hat unser Morgenessen auf 7.00 h (!!!!) bestellt, was er sonst ja nie wünscht. Und so klingelt frühmorgens mein Handy (Raju's wake-up-service) und wir sind natürlich alle noch am Pennen.
Nach dem Frühstück schauen die Kinder noch die DVD vom Vorabend weiter. Raju hat sie extra gekauft, es ist ein Film, in dem Ganesha vorkommt. Claudia und ich fahren mit Raju zum Einkaufen.
Das ist ganz ein schönes und neues Gefühl, mal ohne die Kinder unterwegs zu sein. Seit zwei Monaten sind wir praktisch ununterbrochen "en famille". Für das Mittagessen ist "Chicken" angesagt und natürlich werden diese frisch vom Strassenmarkt gekauft. So ein frisches Poulet habe ich noch nie gehabt! Der Hühnerverkäufer köpft die Tierchen vor Ort, zieht ihnen die Haut mitsamt Federn ab, befreit sie von den Eingeweiden und schneidet sie sogleich in Stücke. Fertig ist das Ganze.
Am Nachmittag haben wir um 15 h mit den Girls vom Hostel beim Suryoday abgemacht. Sie kommen mit dem Bus und wollen sich die Durga-Puja-Stände anschauen. In der ganzen Stadt verteilt hat es so eine Art provisorische Tempel, in denen die Statue von Durga und der ganzen anderen Götterfamilie ausgestellt sind. Mit dem Bus fahren wir dann alle aufs DLW-Gelände. DLW heisst Diesel-Locomotive-Works und ist einer der grössten Arbeitgeber in Uttar Pradesh. Die DLW hat eine eigene Schule, eigene Geschäfte, Restaurants, eigene Sportplätze etc. Und eben auch dort hat es eine Durga-Puja-Ausstellung. Das Ganze gleicht einer kleinen Chilbi. Es hat Marktstände, ein Schaukelboot, ein Autokarussell, ein Mini-Riesenrad, ein Gumpischloss, einfach alles mikro-klein. Es gibt Glace für alle und die Stimmung ist gut.
Der Kiranbus fährt anschliessend direkt wieder nach Madhopur und darum schnappen wir uns wieder eine Autoritschka, um in die Stadt zurück zu fahren. Wieder einmal versucht uns der Ritschkafahrer beim Zahlen übers Ohr zu hauen und behauptet, wir hätten 40 Rupien abgemacht, anstatt den 30, die ich ihm in die Hand drücke. Auf diese Spielchen gehe ich nur kurz ein, sage ihm klipp und klar auf Hindi und Englisch, was er gesagt habe und wenn das nichts nützt, so laufen wir ihm einfach davon und lassen ihn stehen. Zu Fuss gehen wir zum Suryoday, wo wir um halb sieben mit Raju abgemacht haben. Wir wollen gemeinsam in der Stadt weitere Durga-Puja-Figuren anschauen gehen. Für indische Verhältnisse pünktlich kommt Raju mit seiner Auto-Ritschka angefahren, mitsamt seiner Familie. So fahren wir zu Neunt (!!!) los in Richtung Innenstadt. Raju meint: "My ritschka is now called Magic Box!"
Als erstes absolvieren wir eine Art "Höflichkeitsbesuch" bei Dr. Monika, welche eine Klinik führt, in die auch jeweils die Kiranleute gehen, wenn sie ein Problem haben. Dr. Monika ist eine aufgeweckte, freundliche Frau gesetzteren Alters, der sehr viel Respekt aus ihrer Umgebung entgegengebracht wird. Raju und seine Familie besuchen Dr. Monika regelmässig. Wie es Brauch ist, wenn man bei ihr zu Besuch ist, werden wir mit Süssigkeiten begrüsst.
Anschliessend fahren wir weiter in die Stadt hinein. An einer Ecke lädt uns Raju aus. Mit seiner Gehbehinderung kann er uns nicht begleiten. Er wird seine Ritschka an einer günstigen Stelle parkieren und ein Nickerchen machen, wie er uns mitteilt. Vasha, seine siebzehnjährige Tochter, übernimmt das Zepter und führt uns durch die engen Gassen Varanasis. Das Ganze gleicht (für alle SolothurnerInnen) einem riesigen "Märetfescht" zu Ehren von Durga, nur ist es in seinen Dimensionen einfach etwa hundert Mal grösser. Massenweise strömen die Menschen durch die Gassen, um die verschiedenen Durgas zu bestaunen und anzubeten. Ohrenbetäubend laut ist die Musik, mit der die Menschen auf die Durga-Standorte aufmerksam gemacht werden sollen. Je lauter und dröhnender, desto besser. Die Stadt ist voller Lichterschmuck - einfach wunderschön!
Vasha macht das wirklich gekonnt und führt uns zu etwa sieben verschiedenen Durgas. Bei zwei oder dreien kommt die Musik nicht aus der Büchse, sondern wird nicht minder laut, live auf grossen Trommeln gespielt. Die Räume sind oft mit Düften, meist Weihrauch, dick geschwängert, die Luft ist zum Zerschneiden. Dieses Treiben ist sehr eindrücklich. Und just in dem Moment, wo wir das Gefühl haben, jetzt haben wir es dann gesehen, sind wir auch schon wieder bei Raju's Auto-Ritschka.
Alles einsteigen in die "Magic Box" und zurück gehts durchs Gewühl nach Hause, wo es um kurz vor 22 h noch Nachtessen gibt. Wir sind ziemlich müde und können fast nicht glauben, dass Raju und Deepali um 23 h nochmals in die Stadt fahren, weil sie eine spezielle Einladung für eine Vorstellung haben, welche dann ungefähr bis 3 h morgens dauern wird. Eigentlich würde mich das schon interessieren, kann mich aber nicht aufraffen, nochmals ins Getümmel zu gehen. Die Stadt mit der Hitze, den vielen Leuten, dem Lärm, hat auch mich geschafft.
Am Montag, es ist immer noch ein Feiertag (hähä!) gibt es um 9 h Frühstück. Zuerst trinken wir einen Chai, dann gibt es Fladenbrot und Gemüse. Uns käme es nie in den Sinn, so etwas zum Frühstück zu essen. Hier ist das normal und es schmeckt zudem vorzüglich.
Wieder waten wir durch die Wasserlache, welche inzwischen nur unmerklich kleiner geworden ist und machen uns auf den Weg nach Godowlia, wo wir noch Stoff für weitere Kleider kaufen. Wir finden sogar den Laden wieder, in dem wir in unserer ersten Woche mit Maria eingekauft haben. Anschliessend führe ich meine Familie durch die engen Gassen, die ich schon mit Vinod, anlässlich unseres Einkaufsmarathons besucht habe. Nachdem wir schon eine Zeit lang unterwegs sind, tönt es plötzlich hinter mir "Hey Rémy!" Vinod hat uns entdeckt. Er sitzt im Laden seines Freundes Sanjay, der Seidenwaren verkauft und den ich mit Vinod auch schon getroffen habe. Sanjay lächelt uns mit seinen schauderhaft aussehenden Zähnen freundlich an und begrüsst uns mit einem, natürlich nicht ganz akzentfreien "Grüessi mitenaand!". Jährlich geht er einmal in die Schweiz, hat Freunde in Luzern, erzählt aber auch von Le Locle, Val de Travers, vom Absinth, Neuenburg und Biel. Die Welt ist einfach trotzdem klein! Wir sitzen in seinem kleinen Laden, trinken Chai und plaudern. Sämi, der im Kopf hat, sich eine Tasche zu kaufen, fragt Sanjay, ob er nur Stoff oder eben auch Taschen verkaufe. Sanjay sagt, er habe bis vor zwei Jahren so Taschen verkauft, die hätten meistens Hippies gekauft. Von denen gebe es aber nicht mehr so viele und deshalb habe er aufgehört damit. "But wait, perhaps..." und er beginnt an verschiedenen Orten zu wühlen und findet doch tatsächlich noch zwei Taschen aus dieser Zeit, die natürlich unserem Sämi gefallen. Auf die Frage nach dem Preis, antwortet er, er könne diese sowieso nicht mehr verkaufen, das sei ein Geschenk. Er freue sich so sehr, dass wir hier seien und er habe im Zusammensein mit uns das Gefühl, fast ein bisschen in der Schweiz zu sein. Und natürlich kriegt auch Louis noch die andere Tasche.
Hoppla, jetzt müssen wir uns aber wieder auf den Weg machen, denn um halb zwei Uhr gibt es schon wieder Mittagessen und mit Maria, der Näherin, haben wir uns auch noch verabredet, damit sie noch Mass nehmen kann. Unterwegs kaufe ich mir noch ein Schweisstuch, wie es die Inder oft um den Hals tragen, das Mass nehmen dauert natürlich länger als geplant und so kommen wir erst nach zwei Uhr bei Raju an. "No problem". Wieder essen...
Wir vereinbaren, dass uns Raju zurück nach Madhopur bringt, sobald der Strom ausfällt, was normalerweise um drei Uhr nachmittags ist. So können wir noch unsere sieben Sachen packen und "take a short rest".
Eigentlich wäre in der Stadt am Abend noch "der Teufel" los, denn die Durga-Figuren werden in verschiedenen Umzügen an den Ganges gebracht und dort hineingeworfen (Wieder etwas mehr, das Mother Ganga schlucken muss. In der Stadt alleine soll es etwa 200 solche Durga-Puja-Figurengruppen geben, alle mannsgross, die dann in den heiligen Fluss wandern). Aber schon auf dem Heimweg, ein paar Kilometer vom Kiran entfernt, treffen wir ebenfalls auf einen wilden Umzug, der sich mit ohrenbetäubender Musik - wie denn sonst?! - Richtung Ganges-Ghat in der Nähe des Kirancenters bewegt. Die Männer - solch wildes Zeug ist in Indien Männersache - sind sehr ausgelassen, einige wohl ziemlich angetrunken, mit roter Farbe angeschmiert und grölen und tanzen wie verrückt. Es ist also nicht nötig in der Stadt zu bleiben, wir kriegen die Vorstellung praktisch vor die Haustüre geliefert.
Claudia und ich sind noch am Haushalten, während die Kinder vom Kiran aus den vorbeiziehenden Durga-Umzügen zuschauen. Sämi kommt vorbei und fragt, ob er an den Ganges dürfe, um zuzuschauen, wie die Statuen versenkt werden. Ich stimme zu und denke mir nichts weiteres dazu, ausser dass ich dann vielleicht später auch noch gehen werde.
Es ist schon dunkel, als Sämi zurückkommt und berichtet, dass er unten am Ganges gestanden sei und sich plötzlich umzingelt von einer wilden Horde junger Männer sah. Zum Glück habe ihn dann Rajan "gerettet" und zurück ins Boyshostel gebracht. Sämi meint, die hätten ihn sicher in den Ganges geworfen. Scheinbar ist es Brauch, dass einige den Statuen nach springen, wenn diese im Wasser landen.
Da wir bei Sibylle zum Nachtessen eingeladen sind und deshalb noch ins aussen stehende Hostel spazieren müssen, ziehe ich in weiser Voraussicht mein eh schon von Alice's Schuluniform verfärbtes T-Shirt an. Bei Sibylle schlagen wir uns die Bäuche mit Spaghetti voll und gehen dann ans Eingangstor, um einer weiteren vorbeiziehenden Gruppe zuzuschauen. Vorne kommt ein Traktor, auf dessen Anhänger die Statuen sind. Hinten ein zweiter Traktor, mit riesigen Boxen und einem Benzin-Generator, der den nötigen Strom liefert. Natürlich hält die Gruppe vor uns an. Einer kommt auf mich zu und sagt mir "bolo ... !" (ich solle irgendetwas nachschreien), was ich selbstverständlich sofort mache. Die ganze Meute schreit freudig auf, ich werde mit pinkiger Farbe am Kopf "gesegnet", der Typ umarmt mich und mein T-Shirt ist vorne und hinten natürlich jetzt auch pink. Anschliessend darf ich mit allen noch eine Tanz-Einlage geben. Muss dann nochmals etwas schreien, ich glaube "Durga ist gross" oder so etwas Ähnliches und die Gruppe zieht dann weiter. Ich fand es eigentlich lustig, bin aber ehrlich gesagt froh, musste ich mit den Typen nicht noch bis an den Ganges hinunter...
Beim abschliessenden Gespräch mit ein paar Leuten vom Kiran geht noch das Gerücht rum, es sei bereits einer ertrunken, was kein Wunder wäre, können doch viele Inder nicht schwimmen.
Zu Hause schrubbe ich mir fast die Haut vom Kopf, bis die Farbe einigermassen weg ist. Mein T-Shirt sieht immer lustiger aus.
Am Dienstag ist für die Kinder immer noch Feiertag. Für den Staff ist aber wieder Arbeit angesagt. Trotzdem wollen wir es ein bisschen locker angehen. Am Morgen wundern wir uns darüber, dass ein Apfel in unserer Küche angeknabbert ist. Wir haben sofort die Ameisen in Verdacht. Als dann aber Claudia plötzlich hysterisch rumschreit und rumrennt, ist die Täterin gefunden: eine Maus! Die Situation ist wirklich lustig, zu zweit versuchen wir, die Maus aus dem Haus zu treiben, ich bin mir aber nicht sicher, ob nicht plötzlich Claudia anstatt die Maus rausrennt.
Am Mittwoch, als ich vor dem ins Bett gehen noch ein kleines Geschäft erledigen will, zischt dann plötzlich schon wieder eine Maus vorbei. Oder war es eine Ratte? Das war definitiv nicht die gleiche wie am Vortag, die war nicht so fett. Nun, wir haben beim General Services nun einen Küchenschrank mit mäusesicherem Gitternetz bestellt, in der Hoffnung dass die Mäuse dann fernbleiben, wenn es nichts mehr zu holen gibt.
Ach ja, und da ist noch die Geschichte mit dem Tischtennistisch. Es gibt nun doch nicht zuerst einen aus Beton beim Mädchenhostel, sondern... aber lassen wir das! Zwischendurch muss auch ich tief durchatmen und sagen: "Rémy, i Bode abe schnuufe" oder da gab es doch noch diesen Song, der kurz vor unserer Abreise am Radio zu hören war: "Aabefahre, do muesch äifach aabefahre..."
Zum Schluss noch dies: Es ist jetzt Donnerstagabend und schon nach 23 h, was für unsere Indienverhältnisse sehr spät ist. HEY, IST MIR SO ETWAS VON EGAL! Warum? Morgen ist Gandhi's Geburtstag. Ihr wisst schon, was das bedeutet, oder?
(Rémy)
Na super gibt es bei euch so viele Feiertage, dann habt ihr auch genügend Zeit um viel zu sehen und zu erleben. Wusste gar nicht, dass das Lieblingstier von Claudia eine Maus ist ;)
AntwortenLöschenNähe von New Dehli hat es ja eine riesen Überschwemmung wegen Unwetter gegeben, habt ihr davon nichts bemerkt?
Hebets guet und liebi Grüess aus dem wunderschönen Herbst
Nicolette