So, wir haben schon etliche Reaktionen auf den Blog-Eintrag vom 5.4.10 (Hang loose in Payyoli) erhalten. Alle sind beeindruckt, dass wir hier soviel Strand und Palmen ganz für uns alleine haben. Aber es ist ein bisschen wie im Kino, im Fernsehen, im Radio, in einem Ferienprospekt oder in einer anderen Zeitschrift. Man sieht immer nur einen Blickwinkel, immer nur einen bewusst gewählten Ausschnitt. Doch das wirkliche Leben ist anders. Drum hier auch noch ein paar andere Blickwinkel:
Ansicht 1a
Grüne Idylle in Kerala. Im Hintergrund ein einfaches Fischerhaus. Kerala heisst "Land der Palmen", aber auch andere Pflanzen gedeihen in diesem warmen Klima wunderbar.
Ansicht 1b (Kamera etwas weiter nach unten geschwenkt)
Das Abfallproblem ist nicht gelöst. Abfall wird entweder selber verbrannt oder wie hier, in eine offene Grube geworfen und irgendeinmal dann zugedeckt...
Ansicht 2a
Fischeridylle an der Payyoli-Beach. Einfache Fischerboote, welche täglich ins Meer hinausgefahren werden, ruhen am Strand. Im Vordergrund schützender Blockwurf, welcher nach dem grossen Tsunami entlang der ganzen Küste erstellt wurde.
Ansicht 2b
Auch der Blockwurf dient als Abfallhalde für nahezu alles...
Ansicht 3a
Der Strand ist menschenleer. Hier findet man vom Tourismus noch unberührte Sandstrände.
Ansicht 3b
Währenddem die gelegentlichen, natürlichen Exkremente der Fischer von den Wellen weggespühlt und vom Ökosystem Meer auf ebenso natürliche Weise entsorgt werden, wird Plastik und anderer Müll an den Strand zurückgespült...
Auf diese Bilder kann man jetzt natürlich auf ganz verschiedene Arten reagieren. Bevor man sich aber empört oder kopfschüttelnd äussert, soll man sich doch schnell Folgendes in Erinnerung rufen:
Wie hat es bei uns in der Schweiz bezüglich Abfall vor 30 – 40 Jahren ausgesehen? Ich erinnere mich noch gut an die stinkende Abfallgrube in unserem Dorf.
Wieviel Abfall produziert eine Familie im Westen im Vergleich zu einer Fischerfamilie in Indien?
Wieviel Müll jeglicher Art wandert direkt von den Bohrinseln, Passagierschiffen, Frachtern, Tankern etc. direkt ins Meer, obwohl wir es doch eigentlich besser wüssten?
Wohin wandert wohl unser Atommüll? Wohin wohl unsere nicht reziklierbaren, giftigen Chemieabfälle?
Wer hat den ganzen Plastik-Scheiss – sorry, ich kann es nicht anders benennen - bis in die tiefsten Urwälder, bis in die Weiten der Wüsten verbreitet, ohne sich auch nur den kleinsten Gedanken (mal abgesehen vom Profit-Gedanken) darüber zu machen, was die Folgen daraus sind?
Trotzdem, im Herzen bin ich halt immer noch Schweizer und störe mich natürlich an solchen Zuständen, bei allem Verständnis gegenüber den Einheimischen hier. Ich verzeihe ihnen, dass sie mal ihr Geschäft am Strand machen – übrigens habe ich das Gefühl, sie machen es weniger oder weiter weg, seit wir hier sind (Danke!) – jedoch das unbedachte Wegwerfen des Abfalls macht mir nach wie vor sehr Mühe. In indischen Städten machen wir das mittlerweile auch, wenn es keine Abfallkübel hat, aber draussen in der Natur nicht. In den Städten stört mich das weniger, hier aber schon. Sehe ich es zu eng?
Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, hier fehl am Platz zu sein. Payyoli gehört den Fischern, nicht uns Bleichgesichtern. Meine Seele will hier in Payyoli einfach keine Ruhe finden, keine Musse. Ich fühle mich irgendwie zu sehr als Fremdkörper.
Aber vielleicht ist es auch einfach wieder mal so eine familiensoziale Phase, die es durchzustehen gilt. Wir sitzen halt schon wieder sehr lange und ständig aufeinander. Und wenn du es mal schaffst alleine an den Strand oder so zu gehen, dann tönt es sicher wieder von irgendwoher "Hello, how are you? What's your name?" Und wenn du dann zurückfragst, merkst du, dass sie nicht einmal auf die eigene Frage eine Antwort geben können. Ist ja sicher nicht böse gemeint, aber es kommt der Moment, da wirst du der Sache einfach langsam überdrüssig...
Ich freue mich auf alle Fälle schon wieder aufs Weiterreisen. Morgen geht es in den Tholpetty-Nationalpark (ohne unseren local Guide ;-)), danach werden wir noch ein paar Tage hier bleiben und dann unsere Tramper wieder packen und weiterziehen. Oder spielt da auch ein bisschen Heimweh mit...?
(Rémy)
PS. Während ich schreibe, sehe ich zwei Jungs, welche drei Kehrrichtsäcke zum Strand tragen. Sie entsorgen sie fachgerecht im Blockwurf. No way to tell them anything. Sie würden es erstens nicht verstehen und schon gar nicht begreifen...
Sonntag, 11. April 2010
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