Heute morgen stehe ich um halb sechs Uhr auf. Schlinge meinen Lunghi um meine Hüften, packe Seife und eine frische Unterhose in einen Plastiksack und mache mich auf den Weg zur Ganga. Im Kiran sind natürlich schon etliche Leute wach, die Temperaturen sind um diese Tageszeit noch ganz angenehm, es weht ein leichter Wind und die Sonne versteckt sich noch etwas hinter einem Dunstschleier. Gemütlich schlendere ich in Richtung Farm, um den Hinterausgang zu nehmen und übers Feld zu gehen. Die vielen Kühe in der Farm sind natürlich auch schon wach, beachten mich aber nicht besonders. Vom Feldweg aus sehe ich schon etliche Menschen in Richtung Ghat wandern oder fahren. Die meisten besuchen wohl den Sulthankeshwar-Tempel und werden dann anschliessend (oder vorher? - ich weiss es nicht), ihr Morgenbad nehmen. Beim Tempel ist schon einiges los, es wird palavert und Tschai getrunken. Am Ghat hat es auch schon Arbeiterinnen und Arbeiter, welche bereits am Schuften sind. Die eh schon riesige Treppe wird scheinbar noch mehr verbreitert.
Ich setze mich zuerst ein bisschen auf die Stufen und schaue dem Treiben zu. Eine Gruppe junger Männer geht hinab zum Ufer, wo schon ein paar am Baden sind. Ich warte noch etwas, geniesse die Ruhe und um diese Zeit kommt auch niemand vorbei, um zu fragen woher ich komme, wie ich heisse und so weiter und so fort. Es ist angenehm. Links unten am Ufer hat es ein paar Frauen und Kinder, die baden. Die Frauen natürlich in voller Montur. Mehr rechts sind die Männer, sie gehen in den Unterhosen ins Wasser. Auch die Gruppe junger Männer geht jetzt ins Wasser, nachdem sie zuerst auch den anderen beim Baden zugeschaut haben. Da ich mich als Bleichgesicht nicht so stark exponieren will, warte ich, bis diese fertig sind und sich wieder treppauf auf den Rückweg machen.
So, jetzt sind nur noch ein paar Wenige da und die Sonne scheint nun mittlerweile auch auf die Ganga, welche sehr wenig Wasser führt. Das ist jetzt ein guter Moment und ich gehe seelenruhig zum Flussufer, um nach fast 10 Monaten, kurz vor unserer Abreise, doch noch ein Bad in der Ganga zu nehmen. Ich will mir hier nicht die Seele reinwaschen, wie die indischen Pilger, aber mehr als ein halbes Jahr praktisch am Ufer der heiligen Mutter Ganga gelebt und nicht im heiligen Wasser gebadet zu haben, das kann es doch nicht sein, oder?
Lunghi und T-Shirt ziehe ich aus und marschiere in den Unterhosen ins Wasser, das eigentlich noch ganz sauber, also wenigstens nicht dreckig, wenn auch nicht ganz klar aussieht. Nach ein paar Metern stosse ich ab und mache meinen ersten Schwimmzug. Ja und jetzt begreife ich auch, wie es Sämi geschafft hat, in den tosenden Wellen des Bengalischen Golfes seine Unterhosen zu verlieren, denn meine habe ich plötzlich auch fast in den Kniekehlen. Ach ja, am A... fehlen wohl auch ein paar Pfunde. Das wäre lustig gewesen, wenn ich Bleichgesicht, dann füdliblutt zu meinem Lunghi hätte schleichen müssen...
Vielleicht wäre es auch nur halb so schlimm gewesen, denn die paar Männer, welche sich ebenfalls am Ufer oder im Wasser befinden, finden es scheinbar ganz normal, dass ich hier baden gehe. Das ist wirklich toll. Das Wasser ist angenehm frisch, ich schwimme ein paar Meter, gehe dann ans Ufer zurück und seife mich von oben bis unten schaumig ein, halt wie ich es bei den Indern abgeschaut habe. Das Zähneputzen mit Gangeswasser lasse ich aber aus. Ich habe wohlweislich die Zahnbürste daheim gelassen und stürze mich dann - etwas vorsichtiger - nochmals in die Ganga, um noch ein paar Mal, genau gesagt drei Mal in Richtung Sonne, unterzutauchen.
Seelisch und ich glaube auch körperlich nicht unbedingt porentief reingewaschen, aber doch mit einem guten Gefühl, mache ich mich anschliessend auf zurück ins Kiran. Auf dem Feldweg begegne ich noch ein paar wilden, wunderschönen Pfauen und als ich bei der Farm vorbeispaziere, beginnt es doch tatsächlich zu regnen. Nur kurz, aber es ist ein wunderbares Gefühl.
Zu Hause schlafen noch alle. Eigentlich schade, denn diese Morgenstunden sind wirklich die besten des Tages...
(Rémy)
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Mittwoch, 26. Mai 2010
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