Donnerstag, 3. Juni 2010

Danke

An dieser Stelle verabschieden wir uns von euch allen, den treuen und den ab und zu Lesenden. Wir haben viel geschrieben und noch viel mehr erlebt. Schön, dass ihr uns dabei begleitet habt.

Morgen früh, am 4.6.2010, werden wir in Zürich-Kloten landen und wir freuen uns ganz wahnsinnig fest auf den Moment, endlich unsere Eltern/Familien und euch Freunde und Bekannte wiederzusehen.

Es kommen jetzt auch ganz stark Emotionen in uns hoch und wir verabschieden uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge von Indien. Wir werden wohl einiges an Um- und Angewöhnungszeit brauchen, um uns in der geregelten, ordentlichen Schweiz wieder anzuklimatisieren - danke schon jetzt, für euer Verständnis!

Mit diesem letzten Eintrag aus Indien schliessen wir unseren Blog ab. Es ist nur ein "virtueller" Abschied und wir freuen uns darauf, ab morgen unsere Erlebnisse mit einigen von euch persönlich teilen zu können.

Und das sind unsere Abschiedsworte an Indien:

Indien, du bist megaschön und mir hat das Jahr mega gefallen. Du bist ganz anders als die Schweiz und ich habe in diesem Jahr viel gelernt und erfahren von dir. (Louis)

Mir hat es gefallen, dass ich bei dir die armen und reichen Inder/innen kennengelernt habe. Ich werde die günstigen Sachen hier sehr vermissen (T-Shirts, Brillen, Gürtel mit Riesenschnallen und sonst so Zeugs, dass man eigentlich nicht braucht). In meinem Herzen habe ich all die hübschen, indischen Girls, an die ich denken werde, wenn ich eine Freundin suche. (Samy)

Liebes Indien, mir haben deine Musik und deine Tänze sehr gefallen. Und deine Götter, Pujas und Tempel natürlich auch. Ich habe hier bei dir sieben Zähne verloren und der achte wackelt auch schon. (Alice)

Liebes Indien, auch mich haben die Hindugöttinnen und -götter, deine Religion überhaupt, fasziniert. Ich finde gerade nicht die passenden Worte, um die vielen Eindrücke und Erfahrungen zu beschreiben, die ich erlebt habe. Deine unglaublichen Weiten haben mich beeindruckt. Danke für dieses bereichernde Jahr, das uns alle stark geprägt hat. (Claudia)

Indien, du Land der Gegensätze. Zuerst habe ich mich etwas gegen dich gewehrt, war sehr skeptisch. Jetzt hast du auch mich gefangen. Die Erlebnisse, die vielen positiven und auch die negativen, die vielen guten Momente und auch die schwierigen, sie werden unauslöschlich in uns bleiben. Danke, dass du uns aufgenommen hast und uns dein Gesicht gezeigt hast. Danke für all die Erfahrungen und Weisheiten, die du uns auf unseren Weg mitgegeben hast und mitgibst. Du bist wirklich unglaublich. (Rémy)

Bye-bye und hello von uns Schischigagas :-)
Phir milenge!


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New Delhi - zum Abschluss

Gegen Mitternacht kommen wir am Dienstagabend in Delhi an und spazieren in Richtung Anoop-Hotel, in dem unser Indienabenteuer vor genau 10 Monaten angefangen hat. Wir erinnern uns, wie wir vom Hotelzimmer scheue Blicke nach unten auf den Main Bazaar gewagt und gedacht haben: "Meine Güte, was da alles abläuft, da sollen wir uns runter wagen?" Heute müssen wir darüber lachen.

Wie schon im letzten Blog erwähnt, sieht der Main Bazaar zur Zeit ziemlich krass aus. Jetzt, nachts, gleicht er einer Geisterstadt. Im Anoop kriegen wir zwei super Zimmer für je 600 Rupien. Eigentlich sind es teurere AC-Zimmer, aber die AC wird auf unseren Wunsch einfach abgestellt. Die Zimmer sind blitzblank und das Badezimmer ebenso. Wir sind wirklich sehr erstaunt, haben wir unser erstes Anoop-Zimmer vor 10 Monaten doch nicht so toll in Erinnerung. Hat sich das Hotel wirklich um 150 % positiv verändert oder haben wir uns dem Indischen Standard angepasst? Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

An unserem zweitletzten Tag schlafen wir tüchtig aus, wollen anschliessend noch etwas Sightseeing machen und kaufen uns deshalb eine Tageskarte für die neue Metro. Leider zu spät, merken wir, dass die U-Bahn, welche uns zum Lotus-Tempel bringen sollte, gar noch nicht in Betrieb ist. So müssen wir auf einen Bus umsteigen und realisieren erstmals, welche immense Grösse Delhi hat. Wir schütten literweise Wasser in unsere Kehlen, welche fortlaufend am austrocknen sind. Über Delhi hängt eine riesige Dunstglocke, das Resultat von Hitze und Abgasen. Nach unserer kleinen Bus-Odyssee erreichen wir doch noch die grosszügige Anlage des Lotus-Tempel, welcher wunderschön und imposant ist.
Auf den Postkarten, wo die Umgebung grün und der Himmel blau ist, ist er natürlich noch viel schöner, aber wir alle finden ihn trotzdem sehr toll.
Der Lotus-Tempel ist für alle Religionen offen und soll ein Ort der Meditation, Ruhe und Spiritualität sein. Er basiert auf der Idee der Baha-Bewegung, welche richtigerweise sagt, dass wir alle zusammen gehören und es keine Rolle spielt, welcher Religion man angehört. Für diese Aussagen wurden die Baha-I's früher verfolgt, als Ketzer verschrien und massenweise gefoltert und umgebracht. Ich sehe darin eine Bestätigung der Idee Sri Aurobindo's. Es braucht Menschen, die an das Göttliche glauben und versuchen dieses zu Gunsten der Gemeinschaft zu leben. Religionen braucht es nicht! Man/frau bedenke mal, wie viele Kriege und Streitereien es auf dieser, der unsrigen Welt gibt, welche schlussendlich nur auf religiösen Widersprüchen oder Missverständnissen beruhen oder sogar in "Gottes Namen" geführt werden. Meist sind es ja Parteien, die eigentlich an den selben Gott glauben, aber aufgrund der Auslegungen und Interpretationen ihrer Religionen einander in die Haare geraten. Da bleiben nur noch ein paar wenige Konflikte, welche aufgrund von schwindenden Ressourcen wie Erdöl oder so ausgetragen werden.

Um nicht wieder eine endlose Busfahrt zu machen, wollen wir dieses Mal versuchen, mit der Bahn wieder in die Nähe des Metro-Netzes zu kommen. So gehen wir zu Fuss zur Okhla-Bahnstation, finden uns plötzlich ziemlich in den Slums und übersteigen, halt wie die Inder/innen, die Bahngeleise, um aufs Perron zu gelangen. Wieder einmal mehr, wird uns der krasse Gegensatz zwischen Arm und Reich in Indien knallhart vor Augen geführt. In einer Metropole wie Delhi, wo etwa doppelt so viele Menschen leben wie in der ganzen Schweiz, klafft die Schere zwischen haben und nicht haben ganz krass auseinander. Es macht uns aber keine Angst, hier neben diesen Leuten zu gehen. Wir werden nicht mehr beachtet als sonst. Die Menschen gehen ihrer täglichen "Arbeit" nach, hängen rum, schlafen, sortieren Abfälle, betteln, kochen etc. Natürlich sehen wir auch immer wieder Kinder und Jugendliche, welche an Plastiksäcken rumschnüffeln, zerlaust und zerlumpt daherkommen und wohl noch nie eine Schule von innen gesehen haben. Oder es hat teilweise ganz schlimm entstellte Gestalten, welche am Strassenrand sitzen oder liegen. An dieses Bild gewöhnt man sich, wenn man so lange in Indien ist, wie wir. So weit ich mich erinnern mag, habe ich in diesen 10 Monaten keine einzige Rupie einem Bettler oder einer Bettlerin gegeben. Das tönt vielleicht krass. Aber es bringt wirklich nichts. Solange zum Beispiel die Kinder beim Betteln verdienen, werden sie von ihren Eltern sicher nicht in die Schule geschickt. Ich sehe immer wieder viele Inder/innen, welche die eine oder andere Rupie, einen fünf oder zehn Rupienschein spenden. Die meisten machen es wohl ihres Karmas wegen. Es beruhigt vielleicht etwas das Gewissen, aber helfen, geschweige denn ein Problem lösen, tut es nicht. Da wir unseren "Einsatz" im Kiran geleistet haben, fällt mir die Abweisung der vielen Bettelnden auch etwas einfacher. Das Problem als solches erachte ich schlicht weg als unlösbar. Trotzdem heisst das nicht, dass man einfach zurücklehnen und nichts tun soll. Im Gegenteil, man/frau soll dort einen Beitrag leisten, wo es wirklich auch längerfristig etwas bringt. So wie zum Beispiel im Kiran. Da wird Menschen geholfen und zwar so dass es Hand und Fuss hat. So dass folgender Spruch seine Gültigkeit hat:

Eine Welt
in der ein Mensch
weniger leidet
ist eine
bessere Welt!

So, jetzt bin ich etwas abgeschweift, aber das macht nichts...

Am Bahnhof fährt kein Zug und wir müssten trotzdem nochmals umsteigen, drum entscheiden wir uns für ein Tuk-tuk, der uns zur nächsten Metro-Station bringt. Mit der Metro fahren wir dann noch in die Nähe des Roten Forts, passieren noch die grosse Jama Masjid Moschee und gehen dann zu Fuss weiter zur nächsten Metrostation.
Rotes Fort


Dabei gelangen wir wirklich voll ins muslimische Bazaarviertel. Es ist wunderbar. So viele Leute, so ein Gedränge und Gehupe. Überall werden Waren angeboten und vielerorts wird Fleisch gekocht. Louis dreht fast durch, ihm läuft das Wasser im Munde zusammen. Wir geniessen es total, noch einmal Indien pur!
Im Main Bazaar ersticken wir fast, weil es so staubig ist und wir kommen fix und foxi im Anoop an. Wir sind doppelt glücklich, dass wir so tolle Zimmer und eine tipp-topp funktionierende Dusche haben. Und natürlich eine Glotze (meinen die Kinder).

Für unseren letzten Tag in Indien haben wir uns noch das Gandhi-Museum und die Sternwarte vorgenommen. Obwohl wir bereits in Madurei ein Gandhi-Museum besucht haben, interessiert uns der "Vater Indiens" derart, dass wir unbedingt noch mehr über ihn erfahren wollen. Das Museum befindet sich an dem Ort, wo Gandhi zuletzt gelebt hat und schliesslich auch erschossen wurde. Sein letzter Gang und der Ort des Attentats sind eindrücklich und bewegen mich sehr.

Mahatma Gandhis letzter Gang

Ort des Attentats


Im älteren Teil des Museums, wo unter anderem auch Gandhis spartanisch eingerichtetes Zimmer zu sehen ist, hat es viele Fotografieren und gelungene Schlüsselszenen aus Gandhis Leben, in Form von Puppenkästen.

Der obere, neuere, erst seit fünf Jahren bestehende Teil, ist sehr modern und mit viel Technik ausgestattet. Es ist das beste Museum, das wir bis jetzt in Indien gesehen haben. Eigentlich bräuchte man viel mehr Zeit und viel mehr Energie, um alles bis ins Detail zu sehen. Trotzdem nehmen wir uns viel Zeit - nicht so wie wieder einmal mehr die Inder/innen, die im Schnellzugstempo durch die Ausstellung huschen - bis wir einfach nicht mehr können.
Das Museum über diesen, nicht nur für Indien, sondern für die Ganze Menschheit so einzigartigen Mann, ist ein guter Abschluss. So lassen wir die Sternwarte Sternwarte sein und fahren wieder zurück ins Hotel. Unterwegs kommt viel Wind auf und der Staub und Dreck der Strasse wird teilweise hochgewirbelt wie bei einem Sandsturm. Wir werden ganz schön eingepudert, freuen uns auf eine Dusche, auf ein letztes gutes Essen im Anoop und auf die saubere Schweizer Luft.

Und während ich hier sitze und schreibe, ist es sage und schreibe schon halb acht. In zwei Stunden setzen wir uns ins Taxi Richtung Flughafen und in sechs Stunden sind wir schon in der Luft. Ich kriege einen Kloss im Hals.
(Rémy)

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Dienstag, 1. Juni 2010

Taj Mahal

Sonntagmorgen, 30. Mai 2010: Der Shivganga-Express bringt uns mit leichter Verspätung nach Delhi. Mit unserem ganzen Sack und Pack erklimmen wir die nächste Treppe, um vor den Bahnhof zu kommen. Komischerweise gehts es bei dieser Überführung nur in eine Richtung, so machen wir uns gar keine Gedanken, ob es die richtige ist. Auf alle Fälle kommen wir beim Taxistand raus und ein Typ offeriert uns die Fahrt für 30 Rupien. Das ist ziemlich wenig, aber es herrscht Off-Season und unser Hotel Anoop ist ja ganz nahe. Mit grösster Not bringen wir uns und unser Gepäck in das Fahrzeug. Kaum abgefahren, will uns der Typ zuerst weismachen, dass das Anoop-Hotel 12 km entfernt sei und dass er uns ein besseres wisse. Als wir nicht nachgeben, fährt er zu einem Touristenbüro, geht rein und meint rauskommend, das Anoop sei schon ausgebucht. Dieser Blödmann meint wohl, wir würden diese Masche nicht schon kennen. Auf der Karte zeige ich ihm nochmals, wo wir hinwollen. Okay, wir realisieren jetzt, dass wir auf der falschen Seite des Bahnhofes gelandet sind, aber das ist ja nur ein Detail. Ich sage ihm, er solle jetzt aufhören zu diskutieren und uns zum Anoop bringen. Gut, für 150 Rupien. Was? Ja, es koste 30 Rupien pro Person (jetzt plötzlich??). Sein Trick, uns in eines "seiner" Hotels zu bringen, wo er eine dicke Kommission gekriegt hätte, ging in die Hosen. Ich mache ihm noch ein letztes Angebot von 100 Rupien. Er will partout nicht. So laden wir unser Bagage wieder aus und lassen den doofen Typen mit leerem Wagen und ohne schnell 100 Rupien verdient zu haben, wieder abfahren. Wir nehmen uns 3 Veloritschkas, denen wir zwar je 50 Rupien bezahlen, aber das machen wir gerne, denn die strampeln sich in der brütenden Hitze ja auch einen ab und wollen uns nicht übers Ohr hauen.
Der Main Bazaar, wo unser Hotel liegt, ist kaum wiederzuerkennen. Er sieht aus, wie wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. Fehlen eigentlich nur noch die Trümmerfrauen und man würde sich irgendwo in Deutschland, am Ende des 2. Weltkrieges wähnen.
So wie es aussieht, wird einfach die Strasse verbreitert. Die Häuser müssen jetzt alle um etwa zwei drei Meter weichen und werden deshalb einfach zur Strasse hin teilweise abgerissen, zurückgestutzt oder wie auch immer man es nennen will.

Im Anoop checken wir nicht ein, sondern lagern nur den Grossteil unseres Gepäcks ein und machen uns zu Fuss dann wieder auf, zurück zum Bahnhof, wo wir den Zug nach Agra nehmen.
In Agra ist es brutal heiss und trotzdem nehmen wir im Hotel Sheela, welches nur ein paar Meter vom Taj Mahal entfernt liegt, kein AC-Zimmer, denn unsere Kinder wollen ja nicht erkältet in die Schweiz zurückkehren. Von einem Rooftop-Restaurant aus, sehen wir zum ersten Mal auf das wohl berühmteste Bauwerk der Welt.

Taj Mahal vom Rooftop aus

Anderntags besuchen wir das Taj, den Taj, sicher nicht die Taj, dann noch von ganz nah. Der Eintrittspreis wurde im Jahre 2000 von vormals 15 Rupien auf 500 erhöht. Die vielen Proteste zeigten Wirkung. Der Eintritt wurde nochmals erhöht, auf unglaubliche 750 Rupien pro Person. That's India! Natürlich nur für Foreigners. Wenigstens sind Kinder bis 15 Jahre gratis, das ist wirklich super. Zudem gibt es eine Flasche Wasser gratis dazu. Na also...
Wir schnappen uns einen Führer, nicht den Erstbesten vor dem Eingang, sondern einen, der innerhalb des Taj-Geländes wartet und zahlen für diesen weniger als die Hälfte. Der Taj Mahal ist wirklich ein eindrückliches Monument, auch wenn uns die Hitze fast erdrückt.
Schischigagas and the Taj

In Marmor eingelegte Ornamente

Das südliche Eingangstor zum Taj Mahal

Anschliessend besuchen wir noch das Rote Fort, den Baby-Taj und schauen uns den Taj Mahal noch von der anderen Flussseite an.
Baby Taj

Taj Mahal von der anderen Flussseite aus

Am Abend sind wir ziemlich auf der Schnauze, aber es war schön.

Da wir an unserem ersten Agratag "Vollgas" gegeben haben, schlagen wir uns am Dienstag die Zeit mit einer ausgiebigen "Beizentour", kombiniert mit Würfeln und Zeichnen um die Ohren, denn unser Zug fährt erst um 17.55 h...

Würfeln bis zum Abwinken

... würde um 17.55 h fahren. Denn auf unserer letzten Zugfahrt in Indien, will uns die indische Eisenbahngesellschaft wohl doch noch zeigen, dass in Indien nicht alle Züge pünktlich sind. Unser Zug kommt mit eineinhalb Stunden Verspätung in Agra an und auf der eigentlich dreieinhalbstündigen Fahrt, kommen nochmals eineinhalb Stunden Verspätung dazu. Okay, wir habens begriffen! Wäre ja auch komisch gewesen, wenn wir zu Hause erzählt hätten, dass in Indien alle Züge pünktlich fahren...
(Rémy)

Samstag, 29. Mai 2010

Zum letzten Mal

Zum letzten Mal...
vor Sonnenuntergang vor unserem Guesthouse sitzen und Räucherstäbchen gegen die Moskitos anzünden, zum letzten Mal im Girlshostel essen, einen Vorinsbettgehen-Tschai trinken, in diesem Bett schlafen, wo wir so oft geschwitzt und teilweise auch gefroren haben, die Wächter auf ihrem Rundgang hören, dem Tempelgesang horchen, zum letzten Mal im Kiran aufwachen, den letzten Tschai kochen, all die vielen Staffs mit einem Namaste grüssen, letzte persönliche Gespräche führen. Ein letztes Mal in der Kantine Jawal, Dhaal und Sabji essen, bei Rajkumar einen letzten Kaffee trinken und ihn hören sagen "yes a how are you? very fine. yes coffee. is a very strong. you're my father, yes bohot achaa, yes, yes...", ein letztes Mal packen und ein (vorerst?) letztes Mal sich vom Kiran verabschieden...

Danke Sangeeta - Bohot thanyavad Kiran!

Tränen gibt es diesmal nicht. Es ist kaum noch jemand da im Kiran zum Nachweinen. Und wir verabschieden uns ja jetzt bereits zum dritten Mal. Doch trotz aller Freude aufs nach Hause kommen, schwingt auch diesmal etwas Schwermut mit. Auf der Fahrt Richtung Bajao, wo wir die letzten Eindrücke der unmittelbaren Kiran-Umgebung aufsaugen, bleibt mein Blick für einen kurzen Moment auf einem der vielen gelben Telefonmasten mit der Aufschrift VARANASI hängen. Und ich sage zu mir: "Ich komme wieder!"
(Rémy)

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Mittwoch, 26. Mai 2010

Im Heiligen Wasser

Heute morgen stehe ich um halb sechs Uhr auf. Schlinge meinen Lunghi um meine Hüften, packe Seife und eine frische Unterhose in einen Plastiksack und mache mich auf den Weg zur Ganga. Im Kiran sind natürlich schon etliche Leute wach, die Temperaturen sind um diese Tageszeit noch ganz angenehm, es weht ein leichter Wind und die Sonne versteckt sich noch etwas hinter einem Dunstschleier. Gemütlich schlendere ich in Richtung Farm, um den Hinterausgang zu nehmen und übers Feld zu gehen. Die vielen Kühe in der Farm sind natürlich auch schon wach, beachten mich aber nicht besonders. Vom Feldweg aus sehe ich schon etliche Menschen in Richtung Ghat wandern oder fahren. Die meisten besuchen wohl den Sulthankeshwar-Tempel und werden dann anschliessend (oder vorher? - ich weiss es nicht), ihr Morgenbad nehmen. Beim Tempel ist schon einiges los, es wird palavert und Tschai getrunken. Am Ghat hat es auch schon Arbeiterinnen und Arbeiter, welche bereits am Schuften sind. Die eh schon riesige Treppe wird scheinbar noch mehr verbreitert.
Ich setze mich zuerst ein bisschen auf die Stufen und schaue dem Treiben zu. Eine Gruppe junger Männer geht hinab zum Ufer, wo schon ein paar am Baden sind. Ich warte noch etwas, geniesse die Ruhe und um diese Zeit kommt auch niemand vorbei, um zu fragen woher ich komme, wie ich heisse und so weiter und so fort. Es ist angenehm. Links unten am Ufer hat es ein paar Frauen und Kinder, die baden. Die Frauen natürlich in voller Montur. Mehr rechts sind die Männer, sie gehen in den Unterhosen ins Wasser. Auch die Gruppe junger Männer geht jetzt ins Wasser, nachdem sie zuerst auch den anderen beim Baden zugeschaut haben. Da ich mich als Bleichgesicht nicht so stark exponieren will, warte ich, bis diese fertig sind und sich wieder treppauf auf den Rückweg machen.
So, jetzt sind nur noch ein paar Wenige da und die Sonne scheint nun mittlerweile auch auf die Ganga, welche sehr wenig Wasser führt. Das ist jetzt ein guter Moment und ich gehe seelenruhig zum Flussufer, um nach fast 10 Monaten, kurz vor unserer Abreise, doch noch ein Bad in der Ganga zu nehmen. Ich will mir hier nicht die Seele reinwaschen, wie die indischen Pilger, aber mehr als ein halbes Jahr praktisch am Ufer der heiligen Mutter Ganga gelebt und nicht im heiligen Wasser gebadet zu haben, das kann es doch nicht sein, oder?
Lunghi und T-Shirt ziehe ich aus und marschiere in den Unterhosen ins Wasser, das eigentlich noch ganz sauber, also wenigstens nicht dreckig, wenn auch nicht ganz klar aussieht. Nach ein paar Metern stosse ich ab und mache meinen ersten Schwimmzug. Ja und jetzt begreife ich auch, wie es Sämi geschafft hat, in den tosenden Wellen des Bengalischen Golfes seine Unterhosen zu verlieren, denn meine habe ich plötzlich auch fast in den Kniekehlen. Ach ja, am A... fehlen wohl auch ein paar Pfunde. Das wäre lustig gewesen, wenn ich Bleichgesicht, dann füdliblutt zu meinem Lunghi hätte schleichen müssen...
Vielleicht wäre es auch nur halb so schlimm gewesen, denn die paar Männer, welche sich ebenfalls am Ufer oder im Wasser befinden, finden es scheinbar ganz normal, dass ich hier baden gehe. Das ist wirklich toll. Das Wasser ist angenehm frisch, ich schwimme ein paar Meter, gehe dann ans Ufer zurück und seife mich von oben bis unten schaumig ein, halt wie ich es bei den Indern abgeschaut habe. Das Zähneputzen mit Gangeswasser lasse ich aber aus. Ich habe wohlweislich die Zahnbürste daheim gelassen und stürze mich dann - etwas vorsichtiger - nochmals in die Ganga, um noch ein paar Mal, genau gesagt drei Mal in Richtung Sonne, unterzutauchen.
Seelisch und ich glaube auch körperlich nicht unbedingt porentief reingewaschen, aber doch mit einem guten Gefühl, mache ich mich anschliessend auf zurück ins Kiran. Auf dem Feldweg begegne ich noch ein paar wilden, wunderschönen Pfauen und als ich bei der Farm vorbeispaziere, beginnt es doch tatsächlich zu regnen. Nur kurz, aber es ist ein wunderbares Gefühl.
Zu Hause schlafen noch alle. Eigentlich schade, denn diese Morgenstunden sind wirklich die besten des Tages...
(Rémy)

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Samstag, 22. Mai 2010

Wieder im Kiran

Seit Mittwochmorgen früh sind wir wieder im Kiran. Einige haben ganz schön gestaunt, dass wir wieder aufgekreuzt sind, andere habens durchs Buschtelefon schon erfahren. Alle begrüssen uns freudig.
Die meisten kleineren Kinder sind schon in den Sommerferien. Das Kiran beginnt sich langsam zu leeren. Auch mein Trainee Rahul ist schon in einen Ashram abgereist und kann dort etwas andere Luft schnappen. Im ersten Moment bin ich etwas enttäuscht, habe ich mich doch gefreut, ihn nochmals zu sehen. Aber wahrscheinlich ist es besser so, denn Rahul kämpft ja immer sehr stark mit dem Abschiedsschmerz. Und so bleibt uns das jetzt erspart. Im Boyshostel sind praktisch alle schon ausgeflogen und auch im Girlshostel hat es nur noch ein paar wenige. Um 17 h ist wieder mal ein Spezialprogramm angesagt. Jeden Monat führt das Kiran ein sogenanntes "Awarness"-Programm durch, um die Leute an den verschiedensten Orten in und um Varanasi auf das Kiran aufmerksam zu machen, Hemmungen abzubauen, eine Brücke zu schlagen und Leute dazu zu ermuntern, dass sie mithelfen, die Arbeit im Kiran zu unterstützen. Heute findet das Ganze ausnahmsweise im Kiran statt und die Dorfbewohner aus der nächsten Umgebung sind dazu eingeladen. Das Summer-Camp, eine Spezialwoche, die jedes Jahr im Kiran durchgeführt wird, geht heute zu Ende und so werden diverse Produktionen, welche im Camp einstudiert worden sind, präsentiert. Hauptthema ist der Umweltschutz im Alltag. Das Ganze dauert wie immer sehr lange und ich merke, dass ich nicht mehr soviel Übung im Sitzen am Boden habe, wie auch schon. Auch fehlt mir etwas Polsterung am Hintern. Überhaupt sagen alle hier, wir hätten abgenommen in den vergangenen 2 1/2 Monaten und ob wir eigentlich nichts gegessen hätten. Dabei liessen wir es uns doch gut gehen. Aber die Hitze trägt wahrscheinlich auch noch dazu bei, dass man hier nicht zuviel Fett ansetzt. Als ich mir das Familienfoto vom letzten Blog anschaue, finde ich selber, dass ich schon etwas an Gewicht verloren habe. Erst recht staune ich, als ich anderntags, seit fast einem Jahr, wieder mal auf eine Waage stehe. 74 kg!!!! Das sind ja mehr als 10 kg weniger, als mein Durchschnittsgewicht!?! Aber eben, no sports, no alcohol, means no muscles, no beer belly. Auf alle Fälle fühle ich mich pudelwohl und das ist ja die Hauptsache.
Die Hitze hier ist wirklich enorm, immer so um die 45°C. Am meisten zu spüren kriegen wir das an unserem ersten Tag hier im Kiran, als Freund Uttar wieder mit dem Strom spielt, ihn abschaltet und praktisch den ganzen Tag vergisst, ihn wieder anzuschalten. Unser Inverter läuft auch nicht, da er irgendwie falsch angeschlossen ist und so haben wir gar keinen Strom. Kein Ventilator geht, das Wasser kommt fast kochend aus den Leitungen, der Kühlschrank gleicht eher einem Backofen und im Bassin ist natürlich auch kein Wasser, weil kein Strom zum Pumpen vorhanden ist. Om shanti! Wenigstens wird der Inverter noch richtig angeschlossen, aber am Abend, als es wieder ein bisschen Strom gibt, reicht das natürlich nicht zum richtig Aufladen. So beginnt das Teil mitten in der Nacht ohrenbetäubend zu pfeifen. Das heisst "battery empty". Da gibt es nur noch eine Massnahme. Unter die Dusche, zusammen mit einem Lungi (indisches Hüfttuch), sich ja nicht abtrocknen, sich pflotschnass ins Bett legen und den nassen Lunghi über sich legen. Das wiederholt sich dann immer wieder...
Mittlerweile funktioniert aber unser Inverter wieder tadellos und auch Freund Uttar spielt nicht mehr ständig mit dem Stromschalter. Wahrscheinlich wollte er uns nur zeigen, dass wir wieder zurück in Uttar Pradesh sind und er hier das Sagen hat ;-)
Das Kiran leert sich immer wie mehr und jetzt sind ausser dem Staff und den Trainees fast keine Leute mehr hier. Beim Essen im Girlshostel sind wir kaum noch zu zehnt, alles wirkt sehr leer. Doch wir geniessen es hier trotzdem und werden ca. noch eine Woche bleiben, weil die Hitze hier am besten zu ertragen ist. Sicher werden wir dann gegen Ende nächster Woche nach Delhi weiterziehen. In Agra wollen wir natürlich unbedingt noch den Taj Mahal besuchen - Hitze hin oder her. Ob wir den geplanten Abstecher in Richtung Rajasthan noch machen und wenn ja für wie lange, wissen wir noch nicht...
Definitivistnurdasswiramaberdaswissenjasicherehschonfastallealsodasswirdannfallsnichtsmehrdazwischenkommtichdenkedaanirgendwelcheaschewolkenodersoalsodasswirdannzubeginndeskommendenmonatsdasheisstamerstenfreitagdeskommendenmonatswasgenaugesagtamviertensechstenzweitausendundzehnistwiederschweizerbodenbetretenwerdenundweresnochnichtwussteundzufaulistdiesesgeschreibselzuentziffernweisseshaltimmernochnicht...

Also wir freuen uns seeeeehhhhhhhrrrrr auf zu Hause und bringen dann ganz sicher und definitiv die langersehnte Wärme mit.
(Rémy)

Hier, wie immer, der Link auf die Karte

Donnerstag, 20. Mai 2010

Zugfahrt Chennai - Varanasi

Mein Geburtstag war übrigens total schön, friedlich und gemütlich und im Nachhinein bin ich so froh, dass es mit dem Zugbilett für den 15.5. nicht geklappt hat. Rémy hat die Tickets für Montag ergattert, mein grösstes Geschenk! Swamy vom Bob Marley hat mir die wunderbar kitschige Geburtstagstorte besorgt, den Tisch mit einem roten Stofftischtuch und einer Ananas als Deko geschmückt, mir eine wunderschöne Jasminblütenkette geschenkt und noch ein Bild mit schönem Spruch. Von den Kindern habe ich auch kleine Geschenke bekommen und ich habe mir ein "Om-Windlicht" gekauft, welches von einem Steinmetz von Hand gemacht wurde und zwei Tops, welche von einem Schneider genäht wurden – ihr seht, ich habe es mir gut ergehen lassen, das wäre im Zug niemals möglich gewesen... Das leckere Nachtessen gemeinsam mit den beiden Schwedinnen war schlichtweg eine Wucht: Drei riesige Fische und viel Gemüse mit Frischkäse, ganz wunderbar gekocht. Abgetanzt wie geplant haben wir dann doch nicht, einfach den schönen Abend mit guter Musik ausklingen lassen, sozusagen nur "gechilled"...

Samy hat seit Freitag tatkräftig im Bob Marley mitarbeiten geholfen. Zuerst noch vorwiegend in der Küche, nachher auch langsam im Service. Am Sonntag hat er dann vollen Einsatz geleistet: Bestellungen entgegengenommen, serviert, sogar Shakes selber gemacht, Geschirr abgeräumt, geputzt, aufgeräumt – wirklich super Einsatz, Swamy war froh um seine Mithilfe und Samy hats sehr gerne und gut gemacht.

Unser letztes Familienfoto im Bob Marley

So machen wir uns am Montag, nach der Packerei und der Verabschiederei von den lieben Leuten im Guesthouse auf, unsere "Heimreise" anzutreten. Unser Ziel ist das rund 2350 km entfernte Kiran, unser indisches Zuhause. Am Busbahnhof ist unser Bus schon voll und wir warten auf den nächsten. Als dieser aber innerhalb 15 Min. nicht kommt – normalerweise warten wir nicht solange! – entschliessen wir uns, halt trotzdem den AC (Klimaanlage) Bus zu nehmen, den wir eigentlich nicht wollen und der erst noch 3x teurer ist. Die Kinder beginnen schon bald zu murren, es sei zu kalt und sie möchten nicht mehr AC fahren... Da können sie sich ja freuen, denn der Zug wird auch klimatisiert sein (übrigens auf ihren Wunsch hin).

Im Bahnhof von Chennai decken wir uns mit den obligaten Biscuits und Wasservorräten ein. Der Zug fährt eine halbe Stunde vor Abfahrt ein und wir beziehen unser Zuhause für die nächsten ca. 38 Stunden. Die beiden Leute mit welchen wir das Abteil teilen, möchten ihre Plätze nicht mit unseren Seitenplätzen, welche wir noch haben, wechseln. Schade, spielen geht so gut, wenn wir ein Abteil für uns alleine haben. Die Frau – es sind Mutter und Sohn – schaut sehr ernst und verbittert drein und würdigt uns keines Lächelns. Schon bald merken wir auch, warum: Sie muss unter wahnsinnigen Schmerzen leiden. Ihr Sohn reibt ihr die Schulter ein, gibt ihr tonnenweise Medikamente und spritzt ihr auch 2x täglich irgend etwas in den Oberschenkel. Wahnsinn, wie er sich um sie kümmert! Die beiden sind angenehme, ruhige "Mitbewohner".

Um 21.00 Uhr, Sämi hat schon geschlafen, Alice und ich annähernd, kommt endlich unser Znacht, auf welchen wir so lange gewartet haben. Nach dem Essen gehen wir alle sofort schlafen, wir sind k.o.

Heute, Dienstagmorgen ertönt es dann um 06.00 Uhr, ca. im 10 Min. Takt, mit lauter, kräftiger Stimme: "Chai, Coffee, Chai". Von mir aus hätten die schon noch ein bis zwei Stunden warten können... Louis ist am Bellen und Nase putzen wie ein Wilder: Er hat sich total erkältet, Klimaanlage (die Wolldecke hat sicher auch noch mitgespielt) sei Dank! Seine Augen sind wiedereinmal wie "geklöpfte" Sicherungen, total geschwollen und gerötet. Noch 24 Std. dann ist's wieder vorbei mit der Klimaanlage und wir werden vielleicht schon bald sehnsüchtig an diese zurückdenken.

Unser Zugtag geht relativ kurzweilig vorbei: Hausaufgaben, (nur) ein Dog-Spiel (wegen den Platzverhältnissen), zu den Fenstern herausschauen, die leider sehr dreckig sind, obwohl sie heute zweimal geputzt werden (der Dreck und das Kondenswasser bleiben leider innerhalb der Doppelscheibe hängen!). Erst gegen Abend beginnen die Kinder etwas "aufzudrehen" und etwas wild zu spielen, aber egal, ist ja normal. Das offizielle Znacht vom Zugpersonal haben wir heute abbestellt, weil das wieder erst um 20.30 Uhr serviert wird. Wir haben uns an einem Halt mit Bananen, Pakoras, Chips etc. eingedeckt. So sind wir alle um 19.30 Uhr bereits in unseren Betten und hoffen, nochmals gut zu schlafen. Um 21.30 Uhr dann noch ein "abruptes" Intermezzo: Unsere Mitbewohner bekommen Besuch, zünden das Licht nochmals voll an und der Besuch redet extrem laut und in einer Selbstverständlichkeit! Ich werfe (zum ersten Mal in Indien!) meine Ohrenstöpsel ein und denke nur für mich "thats India"! und freue mich, wenn wir dann Morgen um ca. 07.00 Uhr (sofern keine Verspätung eintrifft – bis jetzt ist unser Zug "oberpünktlich") in "unserem" Varanasi eintreffen – Juppi Kiran!

Klar ist schon jetzt: Die AC-Buchung Varanasi – Delhi werden wir annullieren! Wir alle sind keine FreundInnen der Klimaanlagen und wir werden auf "sleeper" umbuchen, ohne AC!!!
(Claudia)

PS. Unser Zug hatte schlussendlich 40 Minuten Verspätung. Auf 38 ½ Stunden Fahrzeit, ist das schlicht sensationell!

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