Samstag, 29. August 2009

The complete Ischi-family goes Varanasi

Freitag Abend: Alice hat 38°C Fieber. Sie ist zwar anfangs noch voller Zuversicht, dass sie morgen trotzdem in die Stadt kann, ich sehe mich einen weiteren Samstag zu Hause herumhängen mit einem kranken Kind… In der Nacht schläft Alice bei uns. Sie ist heiss wie ein Ofen!!! Eigentlich wollten wir am Morgen mit dem 07.00 Uhr Bus in die Stadt fahren. Aber wir haben umentschieden, dass wir zuerst ausschlafen, und dann weitersehen, wie's um Alice steht. Diese ist nach dem Brunch mit der feinen Züpfe und Nutella wieder recht gut drauf. Ihren "Belli-Husten" hat sie zwar schon noch, jetzt beginnt er sich aber zu lösen. Das Fieber ist weg! Rémy probiert uns eine Auto-Ritschka zu organisieren, Sybille hat eine Tel. Nr. von einem Fahrer, der sogar das Kiran kennt. Plötzlich kommt Louis zurück und sagt, wir sollen uns bereitmachen, in 10' fährt ein Kiran eigener Bus - so guet! Also sind wir - the complete family - ca. um 10.30 Uhr on our way, yeah!
Zuerst müssen wir zu Maria, der Näherin, welche die Schuluniformen für die Kids gemacht hat und Kurtas für Rémy. Die langen Hemder für die Jungs sind vorne so eng, dass sie diese nicht zuknöpfen können, halt Indien-Size, not Swiss… Maria staunt nur, dass unsere Kinder solche kräftigen Handgelenke haben! Rémy's Kurtas sind sehr eng bei den Achseln, auch dies ist Indian-like, sie schaut, dass sie sie noch etwas vergrössern kann. Dann laufen wir zum Assi-Ghat, damit wir "Neulinge" dies auch mal sehen. Ich staune, wie wenig Leute heute unterwegs sind, ich empfinde es überhaupt nicht als hektisch, hab's ganz anders in Erinnerung! Auch besuchen wir die Kiran-Bäckerei und das Kiran-Lädeli - beide sind ganz winzig aber herzig. Jetzt lotst uns Rémy zu dem grossen Kleiderladen, wo er letzte Woche eingekauft hat. Wahnsinn, er findet ihn sogar auf Anhieb wieder! Diesen Orientierungssinn möchte ich auch mal haben… Wir finden für Alice was, der Rest geht leer aus. Dann zieht's uns zur Pizzeria, welche nicht mehr aus den Köpfen unserer Kinder will. Der Bancomat in der Nähe des Suryoday spuckte heute heute morgen kein Geld mehr aus, also müssen wir zuerst zu einem anderen Bancomat. Wir fragen einen Veloritschkafahrer, ob er uns dorthin bringen kann. Er sagt ja, wir sollen aufsteigen. Unglaubwürdig fragen wir: "Alle"? Er sagt ja, no problem. Also quetschen wir uns zu fünft auf die Veloritschka!!! Uiii, das bereue ich aber schon nach wenigen Metern: Der arme Kerl tut mir so etwas von leid, muss uns fünf schwere Schweizer (unterwegs muss er sogar noch extra Pumpen gehen) herumkutschieren, das ist Schwerstarbeit pur, und das für 20 Rupien (wir geben ihm 25 und er bedankt sich überschwänglich)! Sämi findet, das sei jetzt aber ungerecht: Die zwei Träger in Delhi hätten für die kurze Distanz am Bahnhof je 50 Rupien bekommen, und der arme Kerl für diese Distanz (ca. 2km?) so wenig… Aber in Delhi haben wir sie auch überbezahlt, da wir ja noch "Neulinge" waren. Der Bancomat funktioniert und spuckt uns den Maximalbetrag von 15'000 Rupien raus. Das ist fast etwas pervers, wenn man an die 5 Rupien Trinkgeld denkt.
Wir schnappen uns eine Auto-Ritschka und schon stürzt wieder mal ein Monsunregen auf uns nieder. Als wir am Assi-Ghat aussteigen, müssen wir sofort einen trockenen Unterschlupf suchen.

Mit dreckigen Füssen und ziemlich nass finden wir bei einem Laden Schutz. Wir haben gute Aussicht auf das Treiben unter uns. Sämi entdeckt einen Velo-Ritschkafahrer, ohne Unterschenkel, der sich unter einer Plastikhülle schützt und winkt ihm. Dieser freut sich über diese Geste und winkt zurück.

Mich dünkt plötzlich, jemand rufe "Alice". Ein kleines Mädchen in Unterhosen grinst bis zu den Ohren und winkt. Ich winke zurück. Ich sage zu den andern, ich glaube, da rufe jemand Alice. Louis sagt sofort, ja, er kenne das Mädchen, die sei in seiner vorherigen Klasse gewesen. Ich glaube es einfach nicht! Da sind wir in Varanasi, eine Stadt mit ca. 1.2 Mio. Einwohnern, es giesst wie aus Eimern und jemand ruft Alice... Diese Situation hatten wir schon mal, vor zwei Jahren in Westafrika.
Als der Regen nachgibt, gehen wir zur Pizzeria. Wir sind auf der Gartenterrasse, obwohl es recht nass ist. Der Blick auf den Ganges ist wirklich sehr schön. Es ist zwar nicht sehr viel los, aber trotzdem gibt es immer wieder etwas zu sehen: Leute die Baden, Leute die Kleider waschen, eine Herde Wasserbüffel am Baden, Boote die kommen und gehen, eine kleine Zeremonie, wahrscheinlich eine Urne die dem Ganges übergeben wird, Leute die die Ghats wischen etc. Die Pizzas und der Apple-Pie mit Vanille-Eis schmecken vorzüglich. Zwischendurch giesst es wieder aus Kübeln.

Zu Fuss gehen wir zurück nach Lanka. Im Krishna-Shop kaufen wir dann noch unsere üblichen, europäischen Sachen ein. Wir erklären den Kindern, dass wir mit dem heutigen Einkauf gerade unseren gesamten Monatslohn vom Kiran verputzt hätten… Mussten aber auch noch zwei Geschenke einkaufen, denn nächsten Samstag sind wir bei Anmol zu seinem 3-ten Geburtstag eingeladen J.
Die Busfahrt zum Kiran geniessen wir alle. Wir sind zum ersten Mal im grossen Schoolbus, das gefällt unseren Kindern besonders. Ich geniesse es, vom (geschützten) Bus aus dem bunten Treiben auf den Strassen zuzusehen. Die vielen Eindrücke - Wahnsinn. Beim Bypass hält der Bus an und diverse Leute vom Bus tätigen noch ihre persönlichen Einkäufe. Es erstaunt uns schon gar nicht mehr, als wieder von irgendwoher "Alice" ertönt. Ein Kind hat uns wieder entdeckt und winkt voller Freude und ruft Alices Name. Wieder bestätigt Louis, dass das Mädchen im Kiran zur Schule geht. Sie kommt zu uns in den Bus und erklärt uns, dass sie in Class II ist.
Müde kommen wir zu Hause an. Alle duschen wir noch, essen noch etwas "Kiranchrömli" und gehen zufrieden zu Bett. Schön, dass es heute endlich mal geklappt hat, mit dem Familienausflug in die Stadt…
(Claudia)

Freitag, 28. August 2009

Dingsbums

Heute ziehe ich zum ersten Mal meine lange Schuluniformhose an. Jeder Tag beginnt gleich, immer um neun Uhr ist Morgenandacht in der grossen Halle. Jede einzelne Klasse, die Mädchen und Buben getrennt, sitzen in einer Reihe am Boden. Wir singen, beten und hören Flötenmusik. Das Sitzen ist nicht so gemütlich, aber sonst gefällt mir das. Am Schluss strecken alle Kinder den rechten Arm nach vorne und wiederholen, was ein Kind vorne auf der Bühne vorsagt. Dann halten wir den rechten Daumen auf die Schulter und strecken den Arm und schreien 3 Mal "Yeh!" oder so ähnlich. Wir stehen dann auf, halten die Hände auf die Schultern des Vorderen und gehen in einer Reihe hinaus und ziehen dort die Schuhe an. Und laufen dann wieder in der Reihe zum Schulzimmer. Jeden Morgen gibt es vor dem Unterricht warme gezuckerte Milch oder eine Banane oder irgendwelche zusammengemischte Dingsbums, von denen ich nicht nehme. Heute gibt es wieder diese Dingsbums, drum nehme ich keine. Zuerst arbeite ich im Zauberlehrling. Heute ist das Englisch etwas zu schwierig für mich. Um Viertel vor Zwölf gibt es Mittagessen. Heute hat es fest geregnet und wir können deshalb nicht draussen am Boden essen und essen darum in unserem Klassenzimmer. Es gibt Djawal, Daal, Sabji und Salad. Also auf deutsch Reis, Sauce, Gemüse und Salat. Ich nehme Djawal und Salad und gehe noch zwei Mal mehr das Gleiche holen. Bis um ein Uhr ist Pause. Ich besuche schnell Mami und Papi im Büro. Um ein Uhr wird die Glocke geschlagen und dann müssen wir wieder in die Schule. Die Lehrerin gibt mir etwa 15 Rechenaufgaben aus meinem Rechenbuch auf.
Gleich nach der Schule gehe ich zu Hiralal unsere Züpfe holen. Und dann gehe ich wieder ins Büro und dann gehe ich mit Claudia nach Hause, wo Sämi und Alice schon warten. Zum Zvieri essen wir Omeletten, als Ausnahme. Dann faulenzen wir ein bisschen. Rémy kommt nach Hause und wir spielen noch ein Brändi Dog. Plötzlich sehen wir etwa 50 Libellen über unseren Köpfen schweben. Noch vor dem Nachtessen schläft Alice ein. Sie hat starken Husten und Fieber. Rémy, Sämi und ich gehen noch ins Boys-Hostel essen. Claudia bleibt bei Alice.
Wir kommen vom Essen zurück und sagen beim Wächter "Mudje jabii tschaiee" (Kann ich den Schlüssel haben). Wir gehen ins Büro und gucken, ob noch jemand online ist. Leider nein und jetzt schreib ich noch in den Blog. Aber jetzt muss ich ins Bett. Morgen gehen wir nämlich vielleicht in die Stadt.
(Louis)

Mittwoch, 26. August 2009

Wie doch die Zeit vergeht...

Meine Güte, jetzt ist schon wieder Mittwochabend. Der letzte Blogeintrag ist vom vergangenen Samstag - die Zeit geht schnell vorbei. Drum ein kurzer Rückblick im Zeitraffer.
Am Sonntag können wir ein bisschen relaxen. Frühmorgens geht zwar Claudia zu Ravi, da für uns noch nicht ganz klar ist, ob wir am Sonntagmorgen auch mit dabei sein müssen, bei der Morgentoilette. Da Clementia nicht aufzufinden ist, macht Claudia Ravi alleine "fit" für den Tag und kommt dann nochmals ins Bett, um weiterzuschlafen. Für das Mittagessen haben wir uns im Hostel abgemeldet, bevorzugen wir doch unseren gewohnten Sonntagsbrunch. Sämi hütet immer noch das Bett, mag immer noch nichts essen.
Was beim Sonntagsprogramm fix ist, ist dass wir am Nachmittag für etwa zwei Stunden mit den Girls etwas unternehmen...

--- Jetzt muss ich schnell unterbrechen. Endlich wieder ein bisschen Monsunregen!! Das Rauschen des Niederschlags übertönt sogar das Summen des Ventilators. Durchs Fenster dringt eine angenehme Frische. Oder ist es nur Einbildung? Auf alle Fälle regnet es hier viel zu wenig. Viele Felder liegen brach, weil die Bauern gar nicht erst auf die Idee kommen, bei dieser Trockenheit ihre Felder zu bestellen. Es wäre sinnlos. Das Kiran ist wahrlich eine grüne Oase und wird von den Gärtnern auch täglich gepflegt. Das Wasser wird tief aus dem Boden gepumt und hat, mal abgesehen von der Wasserhärte (viel Kalk), eine einwandfreie Qualität. Der Regen hat schon wieder aufgehört. Kaum zehn Minuten hat's gedauert. Monsun habe ich mir anders vorgestellt. Monsun wäre auch anders, wenn da nicht der Mensch wäre... ---

Mit den Girls haben wir Trampolinspringen geplant, aber es ist einfach zu heiss, für irgendwelche Outdoor-Games. So bietet Claudia drinnen Spiele an und ich stürze mich in die Fluten des Swimming-Pools. Kaum habe ich die vier kleinen Wasserbälle, welche ich mitgebracht habe, ins Wasser geworfen, geht die Post ab. Kurz mache ich einen Versuch, eine kleine Blase-den-Ball-über-die-Wasseroberfläche-Stafette zu organisieren, aber entweder liegt es an meinen mangelhaften Hindi-Kenntnissen oder einfach daran, dass die Kinder so etwas nicht kennen, denn der Versuch scheitert mehr oder weniger kläglich. Aber alle haben ihren Spass daran.
Als wir endlich aus dem Wasser kommen, ist es schon weit nach 18 h. Höchste Zeit, uns vor die Kiste zu setzen, denn wir haben mit Claudias Familie zum Skypen abgemacht. Omi und Opi freuen sich uns zu sehen. Sämi rafft sich auch auf und will zeigen, dass er noch am leben ist, nach all dem, was man von ihm hören musste.

Am Montagmorgen geht es Sämi immer noch nicht besser. Aber anstatt wieder zum Arzt zu gehen, versuchen wir ein Aufbauprogramm mit Bouillon und es scheint langsam zu wirken. Sämi kann alles behalten. Das ist doch schon ein Riesenschritt und er hat auch schon wieder vielversprechende Träume:

SÄMIS TRAUM
Heute träumte ich, ich sei alleine zu Hause.
Die Eltern hatten mir Apfelkuchen hingestellt. Ich bestellte mir aber bei Cimmmi`s Pizza eine Pizza-Margaritha. Ich ging in mein Bett, nahm meine Patch-Work-Decke über mich, ass die Pizza und schaute einen Film auf meinem Computer.


Zudem hat er ja ein grosses Ziel. Wenn immer möglich, am Samstag in Varanasi die ganze Pizza-Geschichte nachzuholen. Aber sachte, sachte!

Die Nacht auf Dienstag ist sehr heiss. Oft erwachen wir in der Nacht. Läuft der Ventilator überhaupt noch? Ja, aber er scheint nur ein laues Mini-Lüftchen hervorbringen zu können. Kissen und Bettlaken sind schweissdurchtränkt.
Tagsüber ist es zwar immer noch sehr heiss, jedoch fühle ich, dass sich mein Körper bereits akklimatisiert hat. In den ersten Tagen hatte ich immer schon nach kurzer Zeit das Gefühl, meine Körperausdünstung sei extrem und nicht gerade parfüm-like. Jetzt ist alles erträglicher, ich schwitze nicht mehr so stark und meine Kleider muss ich auch nicht mehr mehrmals am Tag wechseln. Ich bin froh darüber, das hat mich nämlich etwas "gestresst".
Langsam gibt es für uns auch die ersten Aufträge wahrzunehmen. Neues Windelsystem für Ravi, Anpassungen an der Website, Planung des Baus von zwei Tischtennis-Tischen und einer Solar-Dörr-Anlage. Letzteres gibt dann etwas Grösseres. Zudem helfen wir montags und donnerstags den Physiotherapeuten bei der Therapie im Wasser, was jeweils ein Vergnügen ist.

Am Dienstagabend ist jeweils der Prayer der Kiranbewohner. Und... wir nehmen zu fünft daran teil!!! Sämi ist auf gutem Wege.

Heute Mittwoch ist es endlich wieder soweit und Sämi kann wieder zur Schule gehen. Jetzt nur nicht übertreiben. Immer schön dhire dhire (langsam, langsam). Das Olivenglas bleibt fest verschraubt im Kühlschrank und wird nicht angerührt. Jaja, für alle dies noch nicht gemerkt haben. Wir haben sogar einen Kühlschrank. Auch die verschiedenen Hostels haben einen. Er leistet uns wirklich sehr gute Dienste, obwohl er nicht an unsere Notstrombatterie gehängt werden kann. So gibt es dann halt die tägliche kleine kühlschrankinterne Überschwemmung, aber wir können ganz gut damit leben.
Mittags winkt mich Hiralal, der Schwitzerdütsch sprechende Inder aus der Art&Design-Abteilung zu sich und zeigt mir in einem Einmachglas, was er heute Morgen in einem der Arbeitsräume gefunden hat. Eine kleine Baby-Schlange, ganz dünn und etwa 20 cm lang. Natürlich schicken wir unsere Kinder nach der Schule bei ihm vorbei, das muss man gesehen haben!

In Sangeetas Garden

Am späteren Nachmittag sind wir noch bei Sangeeta zum Zvieri eingeladen. Ich selber war ja noch nie dort und kann bestätigen, sie wohnt sehr schön. Ihr kleines Häuschen ist rund und noch das letzte, welches mit Lehm gebaut ist. Ursprünglich wurde das ganze Kiran mit Lehm gebaut. Jedoch hielten diese Bauten dem Monsum nicht stand und alle Gebäude mussten neu mit gebrannten Backsteinen gebaut werden. Sangeeta hat einen lauschigen Garten, der bis an die hohe Böschung des Ganges reicht. Der Blick auf Mother Ganga ist jedes Mal aufs Neue magisch.



Zum Zvieri gibt es Nimbu-Panii (Zitronenwasser mit Zucker) und, von Sangeetas Nachbarin Lucie liebevoll zubereitet, Omeletten mit Kokosnuss-Füllung. Das schmeckt vorzüglich. Sogar unserem Spezialist Louis schmeckt es, als er rein beisst. Er sagt, er habe ja eigentlich Kokosnuss gar nicht gerne, habe aber gar nicht gewusst, dass da Kokosnuss drin sei und drum habe er einfach rein gebissen und jetzt eben gemerkt, dass er das trotzdem gerne hat... jaja, auswärts ist halt alles besser. Und bei Sangeeta sowieso. Apropos Omeletten: Heute kochen wir für uns selber und was wartet zu Hause auf uns? Natürlich Omelettenteig!
Ich kriege dann sogar noch einen echten, feinen Kaffee aus der original italienischen, geschraubten Kaffeemaschine. Nero con tanto zucchero. Belissima!
Als es darum geht, den Nachhauseweg zum etwa 500 Meter entfernten Kiran anzutreten, macht Alice auf schlapp und was schlägt die Wunderfee Sangeeta vor? Ich könne doch gleich mal ihren Scooter ausprobieren und die Familie nach Hause fahren. Gesagt, getan. Und als mir in der Dunkelheit das erste Vehikel entgegenfährt, kommt mir sogar noch rechtzeitig in den Sinn, dass hier Linksverkehr herrscht. Glück gehabt!
Sämi und Claudia haben ihre Bäuche schon genügend gefüllt und wollen unser grosses Omelettenessen auf Morgen Mittag verschieben. Wir anderen drei sind damit nur halb einverstanden und brutzeln für jeden noch eine erste hausgemachte indische Omelette. Auch diese schmeckt vorzüglich. Anschliessend hauen wir uns alle zufrieden selbst in die Pfanne. Hoppla! Sämi's Bett ist aber schon besetzt. Da hängt doch an der Innenseite des Moskitonetzes eine dieser kleinen, niedlichen Eidechsen mit den lustigen, saugnapfähnlichen Zehen.

Wir finden das alle lustig und Sämi befreit den witzigen Eindringling.

Und wieder einmal bin ich froh, dass unsere Kinder in solchen Situationen keine Schreikrämpfe kriegen und sich dann nicht mehr ins Bett getrauen oder so. Sie sind wirklich toll!

Ich stelle den Ventilator ab und höre leider nur das Zirpen der Grillen in der Nacht. "Leider" - des Monsuns wegen. In der Ferne donnert es zwar, ab und zu nehme ich ein Wetterleuchten wahr, aber von Regen keine Spur mehr. Vielleicht später in der Nacht. Shub ratri!
(Rémy)

Samstag, 22. August 2009

Trip nach Varanasi - leider nur zu dritt :-(

Es ist 22.30 h, der Ventilator bläst mir ins rechte Ohr, meine Beine sind schwer, die Augen brennen leicht und eigentlich bin ich hundemüde. Trotzdem will ich diesen Tag noch dokumentieren.

Ja, wir haben uns wirklich sehr gefreut, auf diesen Samstag. Denn samstags haben wir jeweils unseren freien Tag und wir haben uns ja vorgenommen, in die Stadt zu fahren. Obwohl wir gestern mit unserer Anfrage etwas spät dran waren, wird für uns heute um 13.00 h eine extra Busfahrt nach Varanasi gemacht. Die Vorfreude war gross.
In der Nacht geht es Sämi aber wieder schlechter. Mitten in der Nacht muss er sich übergeben, dies mehrmals. Sein Magen macht einfach noch nicht mit und es wird uns klar, dass ein Ausflug in die Stadt für ihn nicht in Frage kommt. Wir sind sehr traurig, hatten wir doch gestern wirklich das Gefühl, es sei überstanden. Bei unserem feinen Brunch bringt er keinen Bissen herunter. Bei Claudia und mir ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Louis und Alice geniessen die Züpfe und das Nutella aber trotzdem in vollen Zügen. Ist ja auch gut so, wäre ja zu blöd, wenn es ihnen auch noch schlecht ginge. Wir müssen einfach Geduld üben und ganz sorgfältig sein. Sämi hat gestern wohl selber etwas über die Stränge geschlagen, von wegen Oliven und so...
Claudia entscheidet sich, mit Sämi zu Hause zu bleiben, obwohl ich ihr angeboten habe dies zu tun. Da ich mich aber besser in der Stadt orientieren kann, weil mich Sibylle schon etwas rumgeführt hat, ist es wohl besser, wenn ich mit Louis und Alice gehe.
So steigen wir halt nur zu dritt, mit Sonnencrème eingeschmiert, Hut auf dem Kopf und Getränken im Rucksack in unseren Bus. Zusätzlich habe ich noch Ersatzunterwäsche und je eine Hose für die Beiden dabei. Es könnte ja mal was in die Hosen gehen und so sind wir auch für diesen Fall gewappnet. Nebst unserem Fahrer Peter (Piiteer) sitzen noch zwei andere Kirans im Bus, so haben wir nicht gar so ein schlechtes Gewissen, dass er extra für uns fahren muss. Wir geniessen, die uns schon bekannte Holperfahrt, der Fahrtwind bläst angenehm in unser Gesicht, es sei denn es ist gerade ein staubaufwirbelnder Lastwagen oder Traktor vor uns, der uns husten lässt. Eingangs Varanasi merke ich dann, dass Peter einen anderen Weg fährt als sonst. Zuerst geht es durch enge Strassen, aber schon bald zeigen sich links und rechts grosse, schöne Gebäude, breite Schatten spendende Alleen und viel Grünanlagen mit riesigen Palmen. Als einer der beiden Mitfahrer aussteigt, frage ich nach und sehe mich bestätigt. Dies ist die BHU (Benares Hindi University). Hier kann man ein bisschen Ruhe finden, wenn man genug vom Rummel der Stadt hat. Und wirklich, wir durchfahren das mächtige Eingangstor der BHU und finden uns mitten im Trubel, im Wirrwarr der Stadt. Tausende Menschen, tausende Fahrzeuge, Lärm, Staub, geschäftiges Treiben auf der Strasse und eine gleissende Hitze.
Wie gewünscht lässt uns Peter auf Höhe des Vikash Emporium (Büro-Utensiliengeschäft) aussteigen. Wir haben eine laaaange Einkaufsliste und wollen mit dem Büromaterial starten. Zuerst müssen wir aber die Strasse überqueren. Ihr erinnert euch: der Fussgänger kommt zuletzt und man muss ja nicht meinen, es gebe hier ein Vortrittsrecht für diese Schwächlinge des Strassenverkehrs. So nehme ich links und rechts je eine Hand meiner Kinder und wir stürzen uns mutig auf die Strasse. Wichtig ist dabei einfach, dass die Kinder mitziehen, wenn ich sage "los" und nicht irgendwie stehen bleiben und einen Stau verursachen. Alice und Louis machen das aber tadellos und vertrauen meinen InIndienStrassenüberquerungsKünsten. Vereinfacht wird das Ganze an dieser Stelle dadurch, dass der Verkehr in der Mitte durch eine etwa ein Meter hohe Schwelle getrennt ist. So fallen wir nicht darauf hinein, in die falsche Richtung zu schauen, da in Indien ja Linksverkehr herrscht. Heil drüben angekommen, folgen wir Sibylles Tipp und kaufen den Solartaschenrechner für Sämi nicht bei Vikash, sondern zwei drei Läden links davon. Da sollen die nämlich etwas billiger sein, so um die 100 Rupien. Es kommt noch besser und wir kaufen einen für 80 Rupien, also etwa 2 Franken. Ganz ordentlich und pflichtbewusst, macht der schon in die Jahre gekommene Verkäufer seinen Stempel auf die Garantiekarte und füllt diese sorgfältig aus. Als wir drei uns mit einem Namaste verabschieden, kommt sogar ein Lächeln in sein Gesicht. Im Vikash kaufen wir dann noch unsere restlichen Sachen ein und machen uns zu Fuss auf den Weg zum Suryoday. Die Hitze ist gross, die Luft abgasgeschwängert und staubig. Wir sind froh, etwas flüssiges dabei zu haben. Im Suryoday ist leider niemand da und so muss ich halt noch ein paar Tage länger auf meine indische SIM-Karte warten. Ist ja auch egal, es geht auch ohne Handy. Unterwegs zum Assi-Ghat finden wir sogar noch einen Plastiktrichter und wir können einen weiteren Haken auf unserer Einkaufsliste machen. Den Kiranverkaufsladen finde ich auf Anhieb wieder und wir schauen bei Trelocki kurz vorbei. Die Kinder kaufen als "Trösterli" für Claudia ein Armband und für Sämi ein Freundschaftbändeli. Auch sie finden es schade, dass die beiden nicht mit dabei sind. Der Bakery-Shop liegt ganz in der Nähe, ich finde ihn aber nicht mehr. Wahrscheinlich sind wir dran vorbeigelaufen, ohne es zu merken. Die Läden sind nämlich dermassen klein, dass sie leicht zu übersehen sind. Dafür kommen wir wunschgemäss zum Assi-Ghat, dem obersten Ghat in Varanasi. Es hat allerlei Gestalten hier, Bettler, Verkäufer, Sadhus und auch Touristen. Alice und Louis lassen sich nichts anmerken, auch wenn es ab und zu ganz merkwürdige Gestalten hat, bei denen wohl manch anderes Kind vor Angst oder Unbehagen zusammenzucken würde. Ich habe das Gefühl, sie wissen und akzeptieren einfach, dass das zu diesem Land, zu dieser Stadt gehört. Das hat auch mit Respekt zu tun und mich dünkt auch, dass die Leute hier einem auch mit Respekt begegnen, selbst wenn sie etwas von uns erbetteln oder uns etwas verkaufen wollen. Den Kindern habe ich eigentlich nur gesagt, falls jemand ihnen zum Gruss die Hand geben wolle, sollen sie ihre Hände falten und mit Namaste grüssen. Es sei denn ich sage es ist okay. Dass man nicht einfach allen in die Augen schauen soll, muss ich ihnen gar nicht sagen. Das merken sie selber. Ich glaube, Afrika hat hier schon seinen Beitrag geleistet.
Wir finden die von Sibylle empfohlene Pizzeria Vaatikaa auf Anhieb und setzen uns auf die schöne Terasse über dem Assi Ghat und geniessen den Schatten und den Blick auf den Ganges. Nachdem Louis beim Brunch schon die beste Züpfe und das beste Nutella seines Lebens genossen hat, gibt es jetzt noch die beste Pizza seines Lebens. Ich muss sagen, die Pizza war wirklich ausserordentlich gut. Die Kinder hatten eine Margherita und ich eine mit Zwiebeln und Knoblauch. Und der Nero d'Avola dazu...ein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass es in Indien so gutes Coca-Cola gibt. Nein, im Ernst, ich hatte hier noch nie Lust auf ein Glas Wein oder ein Bier. Wasser oder wie hier mal ein Cola, ist absolut perfekt. Wer mich kennt, wird das wohl kaum glauben können. But India is incredible different!
Ja, und dann gab's für Alice noch eine Kugel Vanilleeis und für Louis den besten warmen Apple Pie mit Vanilleglace aller Zeiten... und mitten drin im Geniessen sitzt doch drei Meter von uns entfernt, plötzlich ein Affe auf der Klimaanlage. Da schauten wir nicht schlecht! Die Leute vom Restaurant kamen sofort und versuchten ihn, mit dem scheinbar nötigen Respekt, zu verscheuchen. Sie machten das aber nicht aggressiv, sondern mit einem Lachen auf dem Gesicht. Kurz darauf sehen wir sogar noch einen ganz jungen, kleinen Affen mit seiner Mutter an den Hausfassaden rumturnen. Das war natürlich eine Gaudi für uns. Wieder kommen uns Sämi und Claudia in den Sinn und wir bedauern, dass sie nicht auch da sind. Aber wir werden wieder kommen, zu fünft, ganz bestimmt!

Mit vollem Magen machen wir uns dann wieder zurück zum Kiranladen von wo aus Trelocki wie vereinbart Anil informiert, damit er uns abholen kommt und in einen Kleiderladen führt. Anil ist verantwortlich für den Bereich Art&Design im Kiran und ist gerne bereit, uns im Gewühl von Varanasi zu helfen. Wir verbringen dann etwa 2 Stunden im riesigen Kleidergeschäft (vor allem wegen mir). Am Eingang muss ich meinen Rucksack abgeben. Es hat dafür eigens einen Garderobenservice. Das Geschäft hat 3 Stockwerke und speziell ist noch, dass man auf dem jeweiligen Stockwerk bezahlen muss, eine Quittung erhält und erst am Schluss im Parterre dann gegen diese seinen Einkauf erhält. Die Bedienung ist übrigens sehr freundlich und seehr geduldig. Ich bin mir nicht gewohnt, beim Einkaufen so bedient zu werden, da bei mir das Kleiderkaufen meistens ohne grossen Kontakt zum Personal passiert. Ich werde mich daran gewöhnen.
Am Ausgang gibt es für die Kinder noch eine Portion PopCorn (wieder die besten aller Zeiten?). Und wir machen uns auf den Weg zurück. Auf den Strassen herrscht merklich mehr Betrieb und zudem fängt es schon an einzudunkeln. So verabschieden wir uns dann von Anil und nehmen eine Fahrradritschka bis nach Lanka, denn unsere Beine sind schon müde. Bei Bablou angekommen, mache ich mit ihm ab, dass er uns dann eine Auto-Ritschka organisiert, damit wir wieder zurück ins Kiran kommen. Auch das klappt tipp-topp. Danke Sibylle für den guten Tipp! Vorher müssen wir aber noch schnell in den Krishna-Shop unsere restlichen Einkäufe machen. Jetzt herrscht Feierabendverkehr und die Strassen sind proppevoll. Zum Glück gibt es ab und zu etwas Stau, so dass wir uns auf die andere Strassenseite kämpfen können. Blöderweise habe ich das Gefühl, der Krishna-Shop sei noch weiter links und so laufen wir etwa 200 Meter in die falsche Richtung. Das tönt nach nicht viel. Doch unsere Beine sind schon etwas müde und 200 Meter in Lanka, Varanasi sind nicht 200 Meter in der Hauptgasse in Solothurn... Überall Menschen im Multipack, Lärm, Abgas, Currydüfte, Frittiertes Oel, Geschrei, dunkle Stellen, grelles Licht. Wir müssen uns im Zickzack zwischen Verkaufsläden, Essständen, Motorrädern, Fahrrädern und allem möglichen mehr einen Weg bahnen, den Blick immer auch wieder auf den Boden gerichtet, um nicht in ein Loch zu treten. Händehaltend, schauend, dass wir uns nicht verlieren. Und natürlich schickt uns der erste, den ich frage noch weiter in die falsche Richtung (Regel Nr. 1: Selbst wenn der Inder keine Ahnung hat, wohin du willst, er tut immer so, als wüsste er es und schickt dich einfach in eine Richtung). Nun ja, mir wird klar, dass wir falsch liegen und wir kehren um und finden den Krishna-Shop so ziemlich genau dort, wo wir vorher die Strasse überquert haben. Nobody is perfect und ich entschuldige mich bei meinen tapferen Mitläufern für die ungewollte Ehrenrunde. Im Shop kriegen wir alles, was wir brauchen, ausser Eier und Gemüse, die kaufen wir dann auf dem Heimweg. Jetzt wieder zurück über die Strasse. Wir schlängeln uns rüber und klettern auf die Schwelle in der Mitte der Strasse. Bablou's Früchtestand ist auf der anderen Seite zu sehen. Aus Schweizer Sicht ist an ein Rüberkommen eigentlich nicht zu denken. Wir sagen uns einfach: "WIR SIND INDER!!", springen auf die Strasse runter und finden unseren Weg zu Bablou. Noch schnell ein paar Bananen, Mossambiques und eine Kokosnuss kaufen und schon wartet die Auto-Ritschka auf uns. 250 Rupien, das ist eigentlich mehr als erwartet. Aber Bablou sagt, es sei nichts zu machen, es sei wieder ein Feiertag und deshalb so ein Riesenpuff, ich solle ihm aber ja nicht mehr bezahlen. Er entschuldigt sich noch bei uns, dass er nicht mehr Zeit für uns hatte und erklärt dem Fahrer noch, dass er beim Bypass anhalten solle, damit wir noch Gemüse einkaufen könnten. Dann nichts wie rein in die Ritschka und losgehts. Auto-Ritschka fahren ist einfach sooo cool! Zu Beginn habe ich das Gefühl, dass wir kein Licht an unserer Ritschka haben. Mir war noch so, ich hätte etwas von bijeli nahii hai gehört. Das kann ja heiter werden ausgangs Stadt! Wir holpern also munter drauflos, sind mitten in der gratis Füdlimassage, da dreht unser Fahrer einen Schalter und der Sound aus den Boxen, welche unsichtbar hinter uns montiert sind, bläst uns fast das Hirn aus den Ohren. Und ich glaub's einfach nicht!! Was höre ich da?? Das ist doch...
"Child in time" ein Klassiker von Deep Purple - einfach in einer Hindi-Version!! So geil! (sorry, dafür gibt es jetzt wirklich kein anderes Wort). Da sitze ich doch in Varanasi in einer dieser wunderschönen Klapperkisten und dann so ein Song! Und sooooo laut!! Alice und Louis gucken etwas verdutzt und müssen lachen, als ich lautstark den Refrain mitsinge: "Uh uh uh - ah ah ah!" (Wer den Song kennt, weiss schon wie das tönen muss).
Etwas später versuche ich dem Fahrer klar zu machen, dass er dann nicht vergessen soll, wegen unserem Sabji (Gemüse) und den Andaa (Eier) anzuhalten. Vor allem weiss ich nicht, ob es beim Bypass auch Eier gibt. Louis verzweifelt fast, weil er der Dunkelheit wegen immer im letzten Moment Eierverkäufer am Strassenrand sieht und wir einfach daran vorbeidonnern. Schliesslich hält unser Fahrer tatsächlich beim Bypass an, wir steigen aus und gehen zur Gemüsefrau, bei der ich schon letzten Mittwoch eingekauft habe. Sie erkennt mich wieder und begrüsst mich mit einem Lächeln. Sie sitzt mit ihrer Ware am Boden, mitten drin der schwache Schein einer Kerze. Wir kriegen unser Gemüse, sie ihre Rupien und alle sind zufrieden. Da werde ich wohl Stammkunde. Apropos kriegen, plötzlich gibt mir unser Fahrer eine Art Bonbontüte in die Hand und gibt mir zu verstehen, einer vom Stand nebenan habe das uns gegeben und ich könne das in den Mund nehmen. Mit rausgestreckter Zunge zeigt er mir, dass er es schon genommen habe. Ich reisse die Tüte also auf und nehme das Zeugs auf die Zunge. Paah, der Geschmack ist für mich absolut undefinierbar. Irgendwie bitter und ganz komisch. Er deutet mir, ich könne es auch wieder rausspucken, was ich dann nach kurzer Zeit auch mache. Muss mich dann im Kiran mal informieren, um was es sich da genau gehandelt hat. Gegenüber sehen wir dann einen Eierstand und ich frage dort, wie viel ein Ei koste. Drei Rupien fünfzig. Ich sage Biis (zwanzig) und der Verkäufer packt mir etwa 6 Eier ein. Nach einigem hin und her und einem jungen englisch sprechenden Inder, der uns helfen kommt, stellt sich heraus, dass er gemeint hat, ich wolle für 20 Rupien Eier kaufen. Biis piece! Werde ich das nächste Mal sagen und dann wird alles klar sein. Und ich zweifelte schon an meinen Zahlenkenntnissen in Hindi...

Die zwanzig Eier in einer Plastiktüte haltend, geht die Fahrt weiter und ich merke mit der Zeit, dass der Fahrer nicht mehr so sicher ist, wo's lang geht. Es ist stockdunkel und hat nur noch ab und zu ein paar Lichter. Zum Glück hat unsere Auto-Ritschka doch Licht, auch wenn unsere Taschenlampen mehr hergeben würden, aber immerhin sieht uns so der Gegenverkehr. Heute morgen habe ich mir noch ein paar Merkmale am Strassenrand gemerkt, so dass ich dem Fahrer sagen kann, wo er abbiegen muss. Schlussendlich kommen wir müde und zufrieden im Kiran an. Und auch der Fahrer ist glücklich, dass er das abgelegene Kiran erreicht hat. Die Torwächter begrüssen uns freundlich. Ich habe nur noch einen 500 Rupien-Schein und der Fahrer natürlich kein Wechselgeld. So lasse ich ihn am Tor warten, einer der Torwächter leuchtet uns den Weg zum Guesthouse und wir werden dort freudig empfangen. Es ist schon 20.30 h und Claudia hat schon damit gerechnet, dass wir in Varanasi übernachten. Mit Mühe können wir das Geld für die Ritschka zusammenkratzen und ich bringe es dem Fahrer. Das Geld wird nachgezählt, was in Indien eine Selbstverständlichkeit ist und niemanden beleidigt, und er verabschiedet sich freundlich von uns.

Zu Hause wird ausgepackt, geduscht, erzählt und noch Znacht gekocht. Gegessen wird heute zu indischer Zeit, um 21.45 Uhr! Alle sind hundemüde. Sämi darf heute in meinem Bett bei Claudia schlafen. Die beiden hatten natürlich nicht einen so tollen Tag wie wir. Ich hoffe, Sämi wird eine gute Nacht haben und morgen etwas Besserung verspüren.

Meine Güte, jetzt ist schon nach ein Uhr. Zum Glück ist morgen Sonntag, da können wir es etwas gemütlicher angehen. Ausser Claudia, die ist um 07.00 h im Einsatz für Ravi, kann dann aber nachher wieder ins Bett huschen. Gute Nacht!
(Rémy)

Freitag, 21. August 2009

Mmh, das duftet aber lecker!

Für heute gibt es nur einen kurzen Bericht, dafür etwas mehr Bilder. Unsere Kinder gehen alle ganz flott zur Schule, essen in der Klasse und gehen auch nachmittags in den Unterricht, als ob es immer schon so gewesen wäre. So guet! Sämi sagt gerade, es sei mega cool gewesen heute in der Schule.





Am Vormittag besuchen Claudia und ich die Bäckerei, in der Bäckermeister Vinod mit seinem Assistenten amtet und vier Lehrlinge ausbildet. Zuerst zeigt er uns seine akribisch geführte Buchhaltung, die dokumentiert, wie viel Ware er bestellt, wie viel er dann effektiv verarbeitet, was genau von welcher Abteilung bestellt wird und schlussendlich werden die Herstellungskosten von den Verkaufserlösen abgezogen, so dass der effektive Gewinn daraus resultiert (die Personalkosten interessieren ihn dabei nicht, das ist ja auch nicht sein Business). Die Arbeitszeiten sind nicht ganz so wie in Schweizer Backstuben: Mo bis Fr von 09.00 bis 16.00 h. In der Bäckerei wird sehr sauber gearbeitet und genau so sorgfältig abgewogen und zubereitet. Diverse Brote stehen im Angebot, ebenso Cakes und Biscuits und sogar ein Müesli wird produziert. Wir kriegen täglich ein halbes Slicebred (eine Art Ruchbrot in Toastform und Donnerstag zusätzlich ein Vollkornbrot.
Hier ein paar Bilder aus der Bäckerei:






Weiter stehen bei uns noch die Näherinnen-Abteilung, die Holzwerkstatt, sowie die Abteilung Art&Design auf dem Programm. Auch hiervon gibt es dann später mal mehr Infos.

Zum Schluss noch dies: Das Choti-Bred (Züpfe) auf dem letzten Foto ist übrigens für uns. Zudem haben wir noch ein Marmorcake bestellt. Auf diese Weise verwöhnen wir uns selber ein bisschen. Und wenn wir dann morgen Samstag, an unserem freien Tag, zum Brunch Züpfe und Nutella schmausen, dann fehlen eigentlich nur noch die 4-Minuten-Eier. Diese werden wir Morgen in Varanasi kaufen. So können wir mit dem restlichen Slice-Bred "Fotzelschnitten" machen.
E Guete!
(Rémy)





Donnerstag, 20. August 2009

Sämi is back

Heute gehe ich wieder zur Schule, obwohl ich nicht wirklich will. Für mich ist es hier in der Schule sehr eintönig. In der Schweiz ist es besser, weil der Stundenplan abwechslungsreicher ist, man hat mehr Unterhaltung. Am eigentlichen Unterricht kann ich oft nicht teilnehmen, weil fast alles in Hindi ist. Deshalb rechne ich vor allem. Wenn das Fach wechselt, kommt jeweils eine andere Lehrkraft. Einer der Jungs aus meiner Klasse, der taub ist, hat die Aufgabe, die Glocke zu schlagen. Er macht das nicht immer auf die gleiche Art. Warum weiss ich noch nicht genau. Beim Englischunterricht versuche ich mitzumachen, das interessiert mich sehr. Zum Schluss haben wir Musik im Musikzimmer. Zuerst müssen alle das neue Lied abschreiben, dann erst wird es geübt. Am Mittag gehe ich erschöpft nach Hause, esse etwas Gemüse und lese die Geschichte von Heidi. Ich bin immer noch megamüde und bleibe am Nachmittag zu Hause. Zum Zvieri esse ich das erste Mal wieder ein ganzes Stück Brot mit Butter und Tomaten. Dazu geniesse ich die Oliven, die mir Rémy aus der Stadt gebracht hat. Ich habe sicher schon 4 bis 5 Kilo abgenommen, was kein Wunder ist, da ich eine Woche lang praktisch nichts gegessen habe. Endlich habe ich aber wieder Appetit!!!
(Sämi)
Louis geht heute zum ersten Mal in die neue Klasse. Ich begleite ihn zu Beginn und schaue, dass die Lehrerin informiert ist, er seinen Platz findet und mit Lernen anfangen kann. Bald schon kann ich ihn alleine lassen und meinem Programm nachgehen. Ab und zu schaue ich kurz bei ihm vorbei - alles paletti. Zu meiner Überraschung kommt auch Claudia mit, als ich mich zur orthopädischen Werkstatt aufmache. Alice ist wie ein umgekehrter Handschuh im Vergleich zu gestern und geht munter zur Schule. In der Werkstatt wird uns gezeigt, wie die Gehstützen angefertigt werden. Ich werde das ein anderes Mal im Detail erklären. Auf alle Fälle ist das sehr interessant.

Alice und Louis (zum ersten Mal) essen zusammen mit ihren Klassen. Auf Louis Wunsch bleibe ich in der Nähe, falls er sich beim Schöpfen nicht verständigen könnte. Natürlich muss ich nicht eingreifen, ich habe schon gewusst, dass er das alleine kann. Für ihn ist es aber halt noch neu, aber ab Morgen geht das sicher schon alleine.

Am Nachmittag besuchen Claudia und ich noch die Physiotherapie-Abteilung. Wir sind beeindruckt, wie mit den Kindern dort gearbeitet wird. Das ist wirklich Schwerstarbeit, für die Kinder und zum Teil auch für die PhysiotherapeutInnen. Die Kinder kommen übrigens jeden Tag in die Therapie, also 5 x wöchentlich.

Wir haben in unserem Guesthouse zwei Toiletten. Welch Luxus! Eine europäische Schüssel und ein indisches Stehklo. Die europäische haben wir bereits am ersten Tag etwas verstopft, da wir das Toilettenpapier mit runter gespült haben, was in der Schweiz normal ist, hier aber nicht geht. Seither benützen wir nur noch unser indisches Modell und WC-Papier brauchen wir höchstens noch zum Schneuzen oder wenn uns wieder mal eine Ameise blutig gebissen hat, was zum Glück nicht sehr oft vorkommt. Trotzdem kamen bei uns heute die kiraninternen Klempner vorbei und haben hinter dem Haus mal kurz den Beton weggespitzt, um an die Abflussröhren zu kommen, dort wo bei uns in der Schweiz einfach der Dohlendeckel weggehoben würde. Scheinbar kennt man diese Dinger hier nicht oder sie sind eventuell zu teuer. Ich muss mal nachfragen.
Auf alle Fälle wurde der Schaden behoben und das Ganze wieder sauber zubetoniert. Wir werden aber diese komische europäische WC-Schüssel nur noch im Notfall benützen, da wir uns an die praktische indische schon so sehr gewöhnt haben. Sogar Alice kann jetzt die Balance halten und sich mit dem Wasserkübelchen sauber machen.

Heute gibt’s noch schnell einen Sprung ins Bassin, dem auch ich nicht widerstehen kann. Ich bade sogar oben ohne!! (Ich bin Rémy und nicht Claudia, keine Angst!) Heute habe ich nämlich den Physiotherapeuten Nirmaal, der zusammen mit Ravi gebadet hat, auch nur in der Badehose rumschwaddern sehen.

Claudia, Louis und Alice besuchen im Meditationshäuschen noch einen christlichen Gottesdienst (der etwa doppelt so lange dauert, wie die Andachten, an denen wir sonst teilnehmen) und ich sitze eben hier am Computer und schreibe. Es ist nach 19 h, draussen ist es bereits dunkel und demnächst werden wir uns aufmachen zum Boys-Hostel, wo wir heute raat kaa khaanaa (Abendessen) werden. Draussen heulen übrigens die Hund wieder mal um die Wette!

Und da ist noch die Frage des Tages: "Hesch Hunger Sämi?" "Jo!"
(Rémy)

Mittwoch, 19. August 2009

Es geht aufwärts...

So, ihr verwöhnten Leserinnen und Leser. Jetzt ist eingetroffen, was wir schon prophezeit haben: Es wird ab und zu eine Lücke in unserem Blog geben, denn wir wollen ja nicht ständig nur vor der Kiste sitzen.

Die Medikamente zeigen wirklich langsam Wirkung. Sämi hat es schon ziemlich satt, soviel Zeugs schlucken zu müssen, aber das ziehen wir jetzt durch. Louis ist ja auch nicht ein begeisterter Pillenschlucker und es ist jeweils ein Drama gewesen, weil bei ihm die Dinger einfach nicht runter wollten. Als Alternative brechen wir ihm, in Absprache mit dem Arzt, eine Kapsel auf und geben ihm den Inhalt mit Löffel und Wasser zum Nachspülen. Das ist sooooo unappetitlich, dass für ihn ab sofort klar ist, warum die Medikamente in solcheKapseln gefüllt werden. Beim nächsten Mal macht es schwupps, und die Kapsel ist beim ersten Schluck Wasser im Magen verschwunden. Bravo!

Die Kinder gehen heute wieder zur Schule. Alice bockt ziemlich, mit ihr müssen wir etwas Geduld haben. Louis Mathik-Lehrerin schlägt vor, dass er eine Klasse aufsteigen soll, da er in Mathik viel weiter ist, als die Kinder vom UKG. Das finde ich eine gute Idee, dort sind unter anderem auch die Tische und Bänke etwas grösser, was ihm auch zugute kommen wird. Sämi geht den ganzen Tag in die Schule, isst auch mit seinen Mitschülern, was Alice und Louis noch nicht machen. Nach der Schule ist er aber fix und foxi, legt sich hin und schläft 2 ½ Stunden lang.

Claudia und ich haben einen Plan erhalten, nach dem wir verschiedene Bereiche des Kirans besuchen, um einen vertiefteren Einblick zu gewinnen. Den Plan können wir nicht immer genau einhalten, weil wir halt ab und zu immer wieder zu unseren Kinderchen schauen müssen. Aber das ist absolut kein Problem. Alle haben Verständnis, sind völlig flexibel und spontan und wollen vor allem eines: Dass es uns gut geht und wir uns wohl fühlen.
Am Vormittag besuche ich alleine die Special Education Unit, wo die CP-Kinder ihren Unterricht erhalten. Der Umgang mit den Kindern ist sehr unterschiedlich. Die eine Lehrerin macht es auf die "traditionelle indische" Art. Sie ist sehr streng und laut mit den Kindern, schüchtert sie eher ein, anstatt sie aufzubauen und nimmt den einen auch mal an den Ohren. Mir bricht fast das Herz. So toll versucht er mir auf Englisch von 1 bis 20 vorzuzählen, macht es fast perfekt, nur die verflixte 15 will ihm nicht in den Sinn kommen... und schon gibt es einen "Zusammenschiss". Ich mische mich da nicht ein, sondern will erst einmal einfach beobachten und mir ein Bild vom Ganzen machen. Ich fände es falsch, hier als Europäer den Besserwisser und Weltverbesserer zu spielen. Ja, Pädagogik kann halt sehr verschieden sein...
Und tatsächlich! Im anderen Zimmer, bei Shama, einer anderen Lehrerin, tönt es ganz anders. Da wird viel gelacht, aufgemuntert, gelobt und ganz einfach konstruktiv unterrichtet. Ich bin beruhigt und zufrieden, behalte mir aber das vorher Gesehene im Kopf. Alice begleitet mich übrigens, da sie partout nicht mehr in die Klasse wollte. Sie schreibt B's in ihr Schreibheft, kommt aber kaum vom Fleck, da sie immer wieder dem Unterricht der CP-Kinder zuschauen muss und sich nicht konzentrieren kann.
Am Nachmittag besuchen Claudia und ich die PCCU (Parents & Children Care Unit). Hier kommen Eltern mit ihrem CP- oder Polio-Kind von auswärts in die Beratung. Es hat immer mindestens eine Person mit heilpädagogischer und eine mit physiotherapeutischer Ausbildung vor Ort. Wenn ein Kind zum ersten Mal kommt, ist auch Dr. Moreno dabei, um die medizinische Seite abzudecken. Zusammen mit den Eltern wird geschaut, welchen Stand das Kind hat, ob es Fortschritte gemacht hat und es wird vereinbart, was für "Hausaufgaben" die Eltern bis zum nächsten Mal mit ihrem Kind machen müssen. Dies dient einerseits dazu, das Kind kennen zu lernen. Andererseits wollen die Leute vom Kiran aber auch abzuschätzen, ob die Eltern zur Zusammenarbeit bereit sind. Nur wenn dies der Fall ist, kann ein Kind dann eventuell täglich ins Kiran kommen, um dort den CP-Unterricht zu besuchen. Eltern, die ihr Kind einfach "abliefern" wollen, sind hier am falschen Ort.

Um drei Uhr nehme ich zusammen mit Sibylle, die schon einige Jahre im Kiran arbeitet, den Kiran-Schoolbus und fahre in die Stadt. Sibylle zeigt mir die beiden Kiran-Läden (im einen werden die verschiedensten Sachen aus der Art & Design- und der IQ-Toys-Abteilung verkauft, im anderen die Backwaren aus der Kiran-Bäckerei) und wie man zum Assi-Ghat gelangt und wieder zurück. Im Stadtteil Lanka gehen wir noch diverse Einkäufe machen und sie gibt mir wertvolle Tipps, wo sie mit was gute Erfahrungen gemacht hat. Zum Beispiel stellt sie mir Bablou, einen netten Früchteverkäufer vor, bei dem sie regelmässig vorbeigeht. Bei ihm könne man auch wegen einer Auto-Ritschka fragen, er würde dann den Preis aushandeln, so dass wir nicht zuviel zahlen müssen. Im Krishna-Shop kaufe ich unter anderem noch Nutella und gefüllte Oliven. Dies vor allem für Sämi, das wird in freuen. Auf der Rückfahrt halten wir noch kurz an und ich kaufe 2 Kilo Kartoffeln, 1 Kilo Zwiebeln, 10 Zitronen, Knoblauch und Ingwer, alles für 72 Rupien. Das ist okay und ich bekomme nach und nach ein Gefühl für die Preise.
Als ich zu Hause ankomme, komme ich mir beim Auspacken des Rucksacks vor wie der Samichlaus.

Abends sind wir ihm Hostel der Lehrlinge eingeladen. Das Essen ist super gut. An den Kartoffeln hat es sogar Käse. Es schmeckt delicious! Nur Sämi ist noch k.o. und hat einfach keinen Hunger, obwohl es ihn gelüsten würde. Witzig ist noch, dass wir und Sibylle vor allen anderen essen. Gewöhnlich essen sie in diesem Hostel erst um 21.30 h oder noch später. Das wäre für uns definitiv to late! So kochen sie extra für uns früher und wir sitzen am Boden in einem kleinen Zimmer, geniessen das köstliche Essen und rundherum auf den Betten sitzen unsere Gastgeber und schauen uns zu.

Schon auf dem Nachhauseweg spüren wir, wie vollgegessen wir sind. Zum ersten Mal haben wir das Gefühl zuviel gegessen zu haben. Es ist wohl der Käse, den wir nicht mehr gewohnt sind. Sind das erste Anzeichen der Morphose vom Schweizer zum Inder, von der Schweizerin zur Inderin??
(Rémy)

Montag, 17. August 2009

Sirup, Tabletten, Aufbaupräparate: Jetzt muess öppis goh!

Natürlich ist heute Morgen Sämis Fieber wieder komplett weg, als wir zum Arzt gehen (war schon letzte Woche so!) auch den Husten haben wir mit Münzentee, Hustentröpfli, Inhalieren und Einreiben einigermassen in den Griff bekommen. Trotzdem ist Sämi schlapp wie nur etwas (er isst ja nichts!) und der Arzt meint, jetzt muss Antibiotika her. Ich bin überhaupt nicht mehr abgeneigt, wünsche mir nur noch sehnlichst, dass Sämi wieder zu Kräften kommt ... Auch Louis sieht nach einer weiteren Nacht mit heftigem Durchfall aus wie eine wandelndes Leintuch: Leichenblass mit schwarzen Augenringen ... Ich komme mit diversen Mitteln nachhause und muss genau lesen, wer was wann bekommt und wie viel. Alles geht Tipp-top, bis auf das Aufbaupräparat, das im Wasser aufgelöst wird und div. Mineralstoffe, Salze, Vitamine etc. enthält. Rémy hat ca. eine Stunde lang probiert, Louis davon zu überzeugen, dass er das trinken muss: NO WAY! Louis (er ist eh unser Tabletten-Schluck-Experte!!!) schafft es nicht, das Wasser zu trinken, weil es leicht salzig schmeckt. Ein Riesentamtam, bis wir aufgeben ... Als ich am Nachmittag den Rest Tablettlis beim Arzt noch hole, sage ich ihm, dass es hoffnungslos ist, dass Louis das Mittel trinkt. Er sagt, dann soll er einfach viel Zitronenwasser trinken, ich soll dort ganz wenig Salz beifügen ...
So, jetzt ist Abend, und die div. Medis scheinen ihre Wirkung zu zeigen: Schon viel weniger Durchfall und bei unseren Kindern hat sich auch wieder etwas Energie bemerkbar gemacht: Sämi liegt nicht mehr nur herum wie eine lahme Fliege J. Ich bin ja sooooooooo froh und hoffe, euch jetzt nicht mehr weiter mit unseren "Krankengeschichten" langweilen zu müssen ... Aber mein Mutterherz wurde schon auf die Probe gestellt, die letzten Tage ... Hoffen wir doch, dass Alice ihr Heimweh auch noch langsam etwas in den Griff bekommt ...
Ich bin voller Zuversicht und freue mich auf die nächsten, hoffentlich "käferfreien" Tage ...
PS: Heute Morgen hat Sämi gesagt, er hätte so gerne wieder mal ein Sprite. Ich habe natürlich sofort eine Bestellung aufgegeben (die Buschauffeure erledigen jeweils Einkäufe für uns, wenn sie in die Stadt fahren) und als am Abend der Chauffeur mit dem Sprite vorbeikam, kam allgemeine Freudenstimmung auf bei unseren Kindern - Die Überraschung ist gelungen!
(Claudia)

Sonntag, 16. August 2009

Schlipp-Schlapp-Schlapper

Von wegen Schlafen!! Die vergangene Nacht, war wortwörtlich eine versch.... Nacht. Ich weiss nicht mehr, wie oft ich mühsam unter dem Moskitonetz hervorkrieche und den Gang zur Toilette mache. Jetzt hat's wohl auch mich erwischt. Ich nehme es aber eher gelassen, da ich damit gerechnet habe, dass unsere verweichlichten europäischen hyperhygienischen Körper sich an das andere Klima gewöhnen müssen. So versuche ich das Positive im Ganzen zu sehen und das gibt es durchaus! Einerseits erfährt der Körper eine "Gratisdurchputzete" und andererseits komme ich dank dem erforderlichen Zusatztraining einem meiner zwei Körperdehnungszielen in grossen Schritten näher. Im Afrotanzen habe ich gewettet, dass ich dann vor lauter Yoga im nächsten Sommer wohl die Biellmann-Pirouette machen könne - ist wahrscheinlich ein zu hohes Ziel und ich werde klein beigeben müssen...
Das zweite Ziel scheint mir aber schon realistischer. Wenn beim Dehnen jeweils die Kauerstellung gefragt ist, schaffe ich es partout nicht, die Fersen am Boden zu behalten. Ja, und wenn ich das auf unserem Plumpsklo so oft übe, dann werden meine Achilles-Sehnen schön geschmeidig und ich sollte es schaffen. Alles hat seine positiven Seiten, man muss sie nur finden.

Claudia ist noch die einzige, die momentan topfit ist, sie muss die Stellung halten, was sie mit Bravour macht. Louis nervt sich, so oft aufs Klo gehen zu müssen (er meint, das liege sicher an den gestrigen Teigwaren, die wir nicht mehr gewohnt sind), Alice hat starkes Heimweh und Sämi kommt einfach nicht vom Fleck. Er klagt zwar nicht gross, ist aber einfach schlapp. Morgen gehen wir dann wieder zum kiraneigenen Arzt und müssen dann wahrscheinlich mit stärkeren Mitteln einfahren.
Aber don't worry, liebe Verwandten und Bekannten. That's life, das wird wieder vorbeigehen und wir werden dann gestärkt, frohen Mutes und von der Natur "geimpft" aus dieser schlappen Situation hervortreten.

Um uns die Zeit etwas zu verweilen, haben wir folgende Hörsendung über Mutter Ganga angefangen zu hören. Wir sind noch nicht fertig, aber es ist sehr interessant. Hört doch mal rein:
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/-/id=660374/nid=660374/did=1627066/dbyqdh/index.html
(Rémy)

Während meine Lieben - die Armen! - so vor sich hinseuchen, mache ich mich mit den 20 Mädchen auf den Weg Richtung Mother Ganga. Es kommt mir vor, wie eine kleine Pilgerreise, eine Prozession. Unsere Gruppe zieht sich wahnsinnig in die Länge: Die Schnelleren, vor allem Rollis welche geschoben werden, an der Front, die Mittleren sind vor allem Mädchen an den Krücken welche aber ein passables Tempo aufweisen, und am Schluss die Langsamsten, d.h. vor allem Suman und ich. Es ist unglaublich, was Suman da leistet! Eigentlich ist sie schon, kaum sind wir aus dem Kiran-Dorf heraus, völlig verschwitzt und kaputt, dabei haben wir noch ca. 800m vor uns ... Wir legen viele Pausen ein, und ich muntere sie immer wieder auf. Ich bin total beeindruckt! Was Suman hier leistet, ist absolute Schwerstarbeit und entspricht wahrscheinlich für uns nicht gehbehinderten FussgängerInnen ungefähr einem Marathon, vor allem auch, wenn ich daran denke, dass sie den ganzen Weg zurück auch noch machen muss ... Die letzten Meter warten die Mädchen auf uns und wir feuern Suman beim "Zieleinlauf" noch so richtig an, sodass sie sogar noch ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern kann. Inzwischen sind auch noch Sangeeta und Deepu zu uns gestossen und wir alle geniessen den Anblick des Ganges. Die Mädchen sind glücklich, spritzen mit dem Wasser und einige stehen auch im Fluss. Es ist für die Mädchen das erste Mal, dass sie am Ganges sind seit die "Ghats" (Steintreppen zum Fluss) fertig sind. Auf dem Weg nachhause machen wir dann noch einen Abstecher zu Sangeetas "Kutje", ihrem hübschen runden Haus. Wir geniessen den Schatten im Garten, noch einen letzten Blick auf den Ganges und werden mit Pani (Wasser) und Nüsslis verpflegt - welch Wohltat! Zum Abschluss dürfen wir noch ihr Haus besichtigen. Die Mädchen sind sehr interessiert und schauen sich alles ganz genau an. Es scheint ihnen sehr zu gefallen, sie fragen Sangeeta auch diverses. Dann machen wir uns wieder auf den Heimweg. Es war wirklich eine schöne Pilgerreise heute und ich denke, die Fussgängerinnen von den Mädchen werden heute alle sehr, sehr gut und tief schlafen ... Als wir wieder im Kiran angekommen sind, kommen uns Rémy, Alice und Sämi in einem interessanten, total verrosteten Gefährt entgegen. Ich denke, es war mal so eine Art handybike. Sie haben es irgendwo herumstehen sehen, und benutzen es nun als "Krankentransportmittel" ... So sehe ich Sämi endlich wieder mal etwas Lachen, so guet! Wir gehen noch kurz im Büro "Skypen", aber Sämis Energie ist schon wieder weg und er will nur noch Heim und ins Bett!!!
(Claudia)

Samstag, 15. August 2009

Independence Day

Heute ist er endlich da, der grosse Nationalfeiertag "Independence Day". Wir sind ja soo gespannt! Unserer Kinder werfen sich in Schale. Sogar Sämi, der immer noch total schlapp ist, raft sich auf und zieht seine Schuluniform an. Ich glaube, man sieht es ihm an, dass er nicht bei Kräften ist.

Langsam kommen immer mehr Leute. Die Kinder, welche von extern kommen, müssen / dürfen (?) extra nochmals ins Kiran kommen, obwohl am Samstag ja eigentlich schulfrei wäre. Nach einer schön kühlen Nacht, wir deckten uns sogar mit einem Leintuch etwas zu (!) ist es jetzt um 09.00 h schon wieder schweisstreibend warm. Sämi hält es nicht so lange aus und geht wieder ins Bett, Alice mag sich nicht in ihre Klasse stellen, nur Louis geht tapfer in die Reihe und bei der Nationalhymne habe ich das Gefühl, er singt sogar mit. Keine Ahnung wie er das macht, aber seht selber:

Anschliessend gibt es noch einige Reden und die grosse Vorführung, für die letzte Woche soviel geübt wurde. Auch hiervon wollen wir euch einen Ausschnitt nicht vorenthalten. Das Kommando geht übrigens so: Ek - do - tĩn - cãr - pãñtsch - cäh - sãt - ãth - ãth - sãt - cäh - pãñtsch - cãr - tĩn - do - ek (für alle die gerne an einem praktischen Beispiel in Hindi von 1-8 und wieder zurück zählen lernen wollen).

(Video folgt später)

Die nächsten Programmpunkte finden in der Halle statt. Es gibt Gesangvorträge, lustige Theaterszenen und natürlich auch wieder einige Reden.
Zum Schluss gehen die Kinder in ihre Klassenzimmer, wo es für alle noch eine kleine Schachtel mit einer Süssigkeit drin gibt und dann gehen alle wieder nach Hause.

Die Hitze macht uns zu schaffen, die Kleider kleben und so bleiben wir über Mittag in unserem Guesthouse, wo wir etwas legerere Kleider tragen können. Zum Glück gilt der Dresscode nicht für unsere Kinder... Zu Ehren des Nationalfeiertages kochen wir selber: PASTA!!

Die Feierlichkeiten sind aber ja noch nicht vorbei. Wie bereits erwähnt, wird heute für alle Kinder und Jugendliche, die in den Hostels wohnen, Geburtstag gefeiert. Wir haben den Auftrag gefasst, mit ca. 16 Jungs aus dem Suryoday zwischen 16.00 h und 18.00 h die Halle schön festlich zu dekorieren. Diese ist etwa so gross wie eine Turnhalle und wir erhalten bereits im Voraus, so quasi zum Vorbereiten, 3 Bogen Papier (A2), zwei dicke Filzstifte, ein Pack dünne Filzstifte, etwas Wasserfarben und 4 Pinsel. Alles klar? Ja, ja, ihr habt richtig gelesen, so gross wie eine Turnhalle!

So richtig schweizerisch pflichtbewusst machen wir uns bereits um 14 h auf zur Halle, um drinnen in uns zu gehen und uns vorstellen zu können, wie wir das Riesending schmücken wollen. Natürlich ist die Halle geschlossen und der Schlüssel nicht auffindbar. So gehen wir zurück, schreiben in grossen Lettern ein Happy Birthday vor und zeichnen auf dem übrigen Papier Blumen und Figuren, die dann während den zwei Stunden von den Helfern ausgemalt werden können.
Um 16 h sind dann die Jungs schon bei der Halle bereit, von der morgendlichen Dekoration ist nichts mehr zu sehen und wir stehen mehr oder weniger hilflos rum. Bald kommt aber schon unsere Rettung Sybille, die Girlanden, Luftballone und Schnur mitbringt. Die Jungs vom Suryoday haben selber auch noch ein Happy Birthday-Plakat gemalt und helfen uns tatkräftig beim Gestalten der Halle. Man merkt, dass sie das nicht zum ersten Mal machen. Sofort finden sich auch ein paar, die gerne unsere vorbereiteten Bilder ausmalen wollen. Nach einigem Verhandeln finden sich in der Kantine ein paar Becher (die sind so dünn, dass sie nur stehen, wenn Wasser drin ist) und so kann die Arbeit beginnen. "Uncle, lal, please!" Uncle this, uncle that. Ja, als Frau wird frau "Didi" genannt und ich als Mann bin halt der "Uncle". Nice, isn't it? Die Maler sind ganz eifrig, obwohl sie die Farben nicht selber holen können und sie auch nicht selber öffnen können. Deshalb "uncle, uncle".
Mit der Zeit nimmt das Ganze Gestalt an, sieht eigentlich ganz gut aus, scheint zu gefallen und ist auch rechtzeitig fertig.
Bevor es richtig los geht, machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem "Real Monsum". Es giesst etwa eine halbe Stunde wie aus Kübeln und selbst mit einem ausgeliehenen Schirm bleibt man nicht trocken. Der Regen wird aber dankbar angenommen.
An der eigentlichen Feier wird uns das Mikrofon in die Hand gedrückt und wir singen unser viersprachiges "Happy Birthday". Die Karten werden einander übergeben, jede/r erhält ein Geschenk und ein Stück Cake. Wer Lust hat, kann etwas auf der Bühne zum Besten geben. Dies wird eifrig genutzt und hört fast nicht mehr auf. Etwa um 20.30 h gibt es dann Essen für die Kinder und Jugendlichen. Ich bringe noch Alice und Louis ins Bett und will eigentlich dann mit dem Staff auch noch Essen gehen. Louis findet das gar keine tolle Idee und so bleibe ich halt bei ihnen, obwohl sie schon bald einschlafen. Ich bin hundemüde und die Beine fallen mir fast ab vor Schwere. Ich verdrücke noch eine Kerala-Banane, die in Sangeetas Garten wächst, wärme mir noch einen Chai auf und schlürfe diesen zum Schreiben dieser Zeilen. Jetzt noch eine erfrischende Dusche und dann ab ins Bett, bevor ich vor dem Compi noch einschl.....
(Rémy)

Freitag, 14. August 2009

Schuluniformen sind da - Geburtstagskarten produzieren!

Letzte Nacht haben übrigens die streunenden Hunde wieder einmal alles gegeben: Vor unseren Schlafzimmer haben sie gebellt, was das Zeug hält! Irgendeinmal habe ich mich dann so genervt, dass ich "füdliblutt" in die dunkle Nacht gestürmt bin und zurückgebellt habe. Das hat einen von ihnen aber aggressiv gestimmt: Er hat geknurrt und ich bin schnell wieder ins sichere Haus geflüchtet, habe Wasserchübelis gefüllt und die Hunde damit nassgespritzt. Sie sind zwar geflüchtet, haben aber kurz darauf nochmals ein kurzes Abschieds-konzert geliefert ... Dann ist endlich wieder Ruhe und nur das Summen der Ventilatoren und ab und zu das lustige Vogelgezwitscher das sich anhört wie wenn sich Affen unterhalten, ist zu hören.
Juhui, heute ist wieder ein Feiertag: Janmashtami (Krishna's Geburtstag). Das heisst, wir können wieder ausschlafen!
Auch der heutige Tag ist sehr angenehm und es regnet etwas. Nicht nur wir geniessen diese Temperaturen, sondern auch die Inder.
Nachdem Clementia und ich mit Ravis Morgentoilette fertig sind, hole ich bei den Girls die neugeschneiderten Schuluniformen unserer Kinder ab. Sie sind gestern mit dem letzten Schulbus angekommen. Bevor ich wieder nach Hause gehe, treffe ich noch Promilla (die Kiran Chefsekretärin) und trinke mit ihr einen 07.20 Uhr Chai. Irgendwann kommen auch wir auf das Wetter zu sprechen und sie sagt, als sie noch Kind war, hätte der Monsun immer vom 15. Juni bis zum 15. September gedauert. Aber heute, mit der Klimaerwärmung und der Umweltverschmutzung sei alles anders ... Auf der ganzen Welt die gleichen Probleme!!!
Ich krieche nochmals unters Mückennetz und wir schlafen alle ergiebig aus. Nachher probieren die Kinder voller Spannung ihre neuen Schuluniformen. Sämis Hose ist etwas kurz geraten und Louis etwas gross - er braucht dringend einen Gurt! Alices Röckli sitzt perfekt. Sie schauen süss aus, unsere drei little Indians! Leider hat Sämi heute wieder einen "schlappen" Tag: Er mag nicht aufstehen, rafft sich zwar auf, an den Tisch zu kommen, aber isst wieder nur echli Banane. Seit Dienstag-Nachmittag hat er nur noch Bananen gegessen ... Temperatur hat er zwar keine mehr, Energie aber auch nicht! Ich hoffe, die Teigwaren, welche wir morgen als "Spezialmenu" kochen werden, regen seinen Appetit wieder etwas an ...
Nach dem Mittagessen bei den Boys (Sämi bleibt im Bett) gehen wir zu den Girls. Wir haben ihnen versprochen, beim Schreiben der Geburtstagskarten mitzuhelfen. Ganz neu wird im Kiran nicht mehr jeder Kinder- und Angestellten-geburtstag einzeln gefeiert (es gibt ja schon genügend Feiertage ...) sondern diese werden an einem Tag, morgen, alle zusammen gemeinsam gefeiert. Rémy hat die Idee, wir könnten ja "Schnipp-Schnapps" machen. Also falten wir Schnipp-Schnapps was das Zeug hält und dazu schneiden wir noch Karten. Von 14 - ca. 18.30 Uhr sind wir quasi non-stop am Produzieren. Rémy malt den Mädchen schöne Blumen auf die Karten und wir schreiben ihnen Texte rein. Die Mädchen verzieren alles schön bunt. Jeder Junge bekommt morgen dann von einem Mädchen eine Karte oder ein Schnipp-Schnapp geschenkt. Die Boys werden auch Karten für die Mädchen produzieren. Morgen wird auch noch der "Independence Day" gefeiert. Die Kiran-Schulkinder haben schon die ganze Woche immer fleissig zur Pauke ihre Schritte und Bewegungen geübt und werden morgen alles voller Stolz demonstrieren (wegen all der Proberei ist der Schulbetrieb letzte Woche praktisch lahm gelegt gewesen ...).
Jetzt ist wieder einmal Stromausfall und ich werde ins Bett gehen. Sämi und ich sind zu Hause, während die andern bei den Boys am Nachtessen sind. So bin ich halt mal eine halbe Stunde früher im Bett als normal, schon um 20.30 Uhr ...
Shub ratri = gute Nacht!
(Claudia)

Nachtrag 1 (Ganges):
Nach dem Mittagessen spazieren Louis und ich noch zum Ganges. Es nieselt schon leicht. Am Ghat angekommen setzen wir uns oben auf die Treppe und geniessen beide die Ruhe. Nur wenige Leute sind hier. Einige fischen, andere stehen am Wasser unten und diskutieren. Der Wind weht aus östlicher Richtung, schlägt leichte Wellen und man könnte meinen, Mutter Ganges fliesse in die umgekehrte Richtung. Der Regen wird allmählich stärker. Wir bleiben sitzen. Vereinzelt sind noch andere Fischer zu sehen. Unsere Kleider werden immer nasser, die Temperatur ist sehr angenehm, wir geniessen es und schweigen.
Da sitze ich nun mit meinem Sohn Louis am Ganges. Am Ganges, von dem ich schon als Kind gehört habe. Von dem ich aber nie geträumt habe. Der zu weit weg war. Und jetzt so nah. Mein Blick schweift flussaufwärts - es ist einfach wunderbar...
(Rémy)

Nachtrag 2 (Nachtessen):
Alice, Louis und ich gehen wie erwähnt zu den Jungs zum Nachtessen. Am Fernsehen läuft der Discovery Channel und irgend ein verrückter Kerl legt sich mit einer Königskobra an, nimmt sie beim Schwanzende und am Schluss streicht er ihr mit der Hand sogar über den Kopf. Alice und Louis kommen selber darauf, dass sie das nicht nachahmen sollen...
Aber nun zum Hauptthema (staun, staun): Der Fernseher wird abgestellt, die Jungs und auch wir gehen in die Küche das Essen holen, alle sitzen ganz brav in der Reihe vor ihrem Teller und warten bis auch der letzte geschöpft hat, das Tischgebet wird gesprochen und dann wir ganz normal gegessen. Geht doch, oder?
(Rémy)

Donnerstag, 13. August 2009

Zum ersten Mal beim Arzt - Zum ersten Mal im Boys-Hostel

Gestern hat Sämi noch sein zweites, fiebersenkendes Tablettli geschluckt, nachdem mich alle ganz entsetzt angeschaut haben, als ich ihnen sagte, ich hätte ihm nichts gegeben ... Heute Morgen besucht unsere ganze Familie den Kiran eigenen Arzt zum ersten Mal. Sämis Fieber ist zwar praktisch weg, er ist aber immer noch recht schlapp. Verordnung: Ruhen, ruhen, ruhen und viel trinken.
Zu unseren Hitzebibelis gibt's auch nicht viel zu sagen: Viel Wasser und immer gut pudern.
Am Nachmittag nehmen Louis, Alice und Claudia wieder ein erfrischendes Bad im Pool. Das Wasser ist heute richtig kühl, herrlich ... Später geht Rémy mit Ravi auch noch kurz rein - für Ravi ist die Wassertemeratur aber eher an der unteren Grenze.
Nachdem Louis und Rémy den Fussball aufpumpen lassen konnten, geht Louis mit Mishtu etwas Fussballspielen. Da rafft sich sogar Sämi auf, gibt alles und geht den beiden etwas zuschauen ...
Beim Zvieri bei den Girls feiern wir noch Mishtus 9-ten Geburtstag. Er kommt mit seiner Mutter Nidhi vorbei, mit einem grossen Sack voll Täfeli und Biskuits. Das ist natürlich eine gerngesehene Überraschung J. Wir singen ihm Happy Birthday auf alle uns bekannten Sprachen und die Kinder staunen nicht schlecht.

Gegen Abend kommt Claudia mit der überraschenden Nachricht vorbei, dass wir die nächsten drei Tage im Boys-Hostel essen sollen. Louis schiebt gleich eine Krise, da er schon etwas müde ist und meint, das Boys-Hostel liege meilenweit entfernt. Dazu kommt noch, dass er sich mit dem Essen im Girls-Hostel sehr angefreundet hat. Und was der Bauer nicht kennt...
Klar liegt das Boys-Hostel etwa 200 Meter ausserhalb des Kiran-Centers und es ist für uns natürlich praktischer, wenn wir nur schnell zwei Häuser weiter ins Girls-Hostel stolpern können. Aber schliesslich fragt Rahul, der uns bei unserer Ankunft in Varanasi abgeholt hat, fast täglich, wann wir denn endlich zu ihnen essen kommen.
So machen wir uns zu fünft auf den Weg durch die Dunkelheit. Sämi kommt mit, obwohl er immer noch krank ist. Der Strom ist wieder mal weg, wir sind aber ausgerüstet mit unseren Taschenlampen, um nicht noch einer Kobra auf den Schwanz zu treten. Louis ist positiv überrascht, dass es doch nicht so weit ist, bis zum Hostel und die Welt ist wieder in Ordnung.

Ja, aber wieder einmal ist es "totally different". Im Girls-Hostel werden vor dem Essen Teppichstreifen ausgerollt, auf die man sich setzt, dann wird allen das Essen geschöpft und man wartet, bis alle ihren Teller vor sich haben. Anschliessend wird das Tischgebet gesprochen und nach "shanti, shanti,shanti" wird gegessen.
Als wir beim Boys-Hostel ankommen ist es natürlich schon stockdunkel, was ja auch nicht immer angenehm ist, wenn man an einem neuen Ort ankommt. Rahul begrüsst uns freudig und zeigt uns gleich, wie es bei ihnen aussieht. Das Gebäude ist speziell, es hat nämlich einen zum Himmel offenen Innenhof. Als dann Ranjeet, der neue Leiter des Boys-Hostels kommt, wird zuerst mal der Fernseher gestartet. Wir sitzen im Innenhof an Tischen und beginnen mit dem Fotografieren und Namen aufschreiben, wie wir es bei den Mädchen auch schon gemacht haben. Es hat vor allem viele kleine Jungs, die alle ein bisschen "verschüpft" aussehen. Bei den Girls war das halt schon anders. Die sind eigentlich alle schön angezogen und achten auf ihr gepflegtes Äusseres.
Nun ja, mit der Zeit werden aus der Küche Teller gebracht und vor uns hingestellt. Irgendwie haben wir das Gefühl, wir müssten schon beginnen mit essen, obwohl noch nicht alle ihren Teller vor sich haben. Ich frage dann bei Ranjeet nach und es scheint mir, er sei etwas überrascht. Auf alle Fälle warten wir und nach einer Weile haben dann wirklich mehr oder weniger alle ihren Teller vor sich. Ranjeet gibt dann einem grösseren Jungen die Anweisung das Tischgebet zu sprechen. Es scheint, dass das hier nicht zum Alltag gehört. Währenddem bei den Girls alle ausser uns lautstark mitsprechen, hört man hier nur den einen Jungen, der durch Ranjeet unterstützt wird. Der Fernseher läuft übrigens immer noch und wird auch bis zu unserem Weggehen nicht abgestellt. Gut, es kann sein, dass sie den wegen uns laufen liessen. Aber dadurch kommen wir nicht gross in Kontakt mit den Jungs. Irgendwie merken wir, dass wir es hier mit einem "typischen" Männerhaushalt zu tun haben, dem das Familiäre (noch) etwas fehlt. Das Boys-Hostel war in letzter Zeit immer wieder von personellen Veränderungen betroffen und da gibt es sicher noch einiges zu tun. Sangeeta ist sich dessen bewusst und meint, es wäre das Beste, wenn sich ein Ehepaar dem Boys-Hostel widmen würde.
Sämi schläft fast ein und ist total K.o. und auch Alice will nur noch Nachhause, sie fühlt sich jetzt auch heiss an. So mache ich mich mit den beiden schon mal auf den "langen" Heimweg. Die Kinder sind noch nie so schnell ruhig gewesen und eingeschlafen wie heute Abend ...
(Rémy & Claudia)

Mittwoch, 12. August 2009

Bibeli - Schwitzen - Puder- Schwitzen - Schwitzen...

Sämi bleibt heute im Bett. Seine Temperatur ist noch nicht gesunken, ist ja auch schwierig, wenn es sonst schon so heiss ist. Als wir beim Morgenessen sitzen, kommt Bablu, Sämis neuer Freund vorbei, um ihn abzuholen. Er kommt jeweils mit dem Bus um 08.30 h von Varanasi her an. Ich denke, er steht jeweils vor 06.00 h auf, um rechtzeitig auf den Bus zu kommen. Sämi bleibt aber trotzdem den ganzen Tag im Bett.
Im Anschluss an die Morgenandacht wird die Nationalhymne für kommenden Freitag geübt. Das geht ganz militärisch zu und her und ist zu vergleichen mit unserem "Ruhn - Achtung!!" Also zuerst kommt der Befehl breit zu stehen und dann eben das "Achtung!": Alle stehen stramm, die Arme an den Körper gepresst und dann wird lautstark die Nationalhymne gesungen. Natürlich alles auswendig!

Nach der Morgenandacht bekommen wir von Sibylle eine Dose Puder, denn Alice, Louis und Claudia haben mit lästigen Ausschlägen zu kämpfen, die wohl vom Schwitzen und von der Sonne herrühren. Das bringt willkommene Linderung. Sie sind mit diesem Problem übrigens nicht alleine. Auch Sämi ist nicht der einzige, der kränkelt, im Mädchenhostel hat es auch drei bis vier erwischt. Es ist einfach das Wetter. Viel zu heiss und vor allem kein Regen. Ab und zu hört man abends ein Donnergrollen oder sieht ein Wetterleuchten - von Regen aber keine Spur. Wir hoffen weiter, den Monsun doch noch zu erleben...

Während des Unterrichts sieht man auf dem Gelände etliche Schülergruppen für den Nationalfeiertag üben. In Louis Klasse läuft wieder einmal nicht viel. Aber ab und zu kommt eine Lehrerin oder Aufpasserin vorbei und das ist es wieder etwas ruhiger. Zwischendurch setze ich mich ans Lehrerpult und spiele mit den Kindern "Kommando döpperle", was sie sehr lustig finden, doch ist es schwierig, sie soweit zu bringen, dass wirklich alle mitmachen, da reicht mein Hindi noch nicht aus. Louis macht zuerst etwas Deutsch und dann Mathematik. Ich helfe ihm dabei und einzelne Kinder kommen zu mir, um ihre Aufgaben zu zeigen. So mutiere ich zum Lehrer, was soweit ganz gut geht. Okay, als dann einer der Kleinsten mit seinem Hindi-Lesebuch zu mir kommt und mir lautstark und voller Stolz die einzelnen Wörter vorliest, bin auch ich ziemlich hilflos, gebe ihm aber mimisch zu verstehen, dass er das gut gemacht habe. Er hat die Wörter so überzeugend vorgelesen, das kann fast gar nicht falsch gewesen sein.
Nach eineinhalb Stunden kommt dann tatsächlich noch eine richtige Lehrerin ins Zimmer und es wurde noch eine halbe Stunde gearbeitet. Soweit ich informiert bin, sollte es nach dem 15. August 2009, aber dann richtig losgehen mit der Schule. Da sind wir aber gespannt!

Zwischendurch gehe ich aus dem Zimmer und melde bei Promilla, dass unsere Batterie im Eimer ist. Sofort wird sie gewechselt, jedoch sind wir schon wieder im alltäglichen 10.00 - 14.00 h Stromausfall, die Batterie konnte sich also nicht aufladen und wir schwitzen uns über Mittag einen ab...
Den Nachmittag verbringen wir mehr oder weniger als tote Fliegen. Claudia und später auch noch ich machen etwas Wäsche. Von Hand natürlich, mit unserem Waschbrett, dass wir eigens aus der Schweiz mitgebracht haben. Barbara, es ist einfach gold wert, dhanyawad! Zwischendurch kann sich Sämi zu einem Würfelspiel aufraffen, das ist doch schon ein kleines positives Zeichen.
Später gehen wir mit Ravi noch kurz in den Teastall und machen anschliessend einen kleinen Spaziergang zum Kiran eigenen Bauernhof. Von den sieben Kühen sind fünf trächtig. Zudem hat es noch ein paar Kälber. Jeden Tag kriegen wir abends etwa einen Liter frischer Milch direkt ab Kuh. Am folgenden Morgen machen wir damit unseren Chai und Alice und Louis finden, dass sei die beste Milch, die sie je getrunken haben. Jeden zweiten Tag kriegen die SchülerInnen übrigens auch einen Becher Milch, wenn immer möglich von den Kirankühen. Ab und zu muss aber noch Milch dazugekauft werden.

Sämi lässt ausrichten, dass er auch schon von einer Ameise blutig gebissen worden ist und dass er alle grüssen lässt, die ihn kennen.
(Rémy)

Dienstag, 11. August 2009

School again - ups and downs

Heute besuchen unsere Kinder wiederum ihre Klassen. Sämi besucht sogar am Nachmittag den Unterricht - freiwillig. Es gefällt ihm sehr gut. Nach dem Unterricht gehen wir als Familie zum Teastall und genehmigen uns Chai, Mango Squash, die feinen Pakouri und Louis läschelet mir noch zum Schluss sogar noch ein kleines Pack Biscuit ab. Ich muss tief in die Tasche greifen. Sie kosten 2 Rupien. Plötzlich klagt Sämi über Kopfweh und wir gehen zu uns zurück. Er ist überhaupt nicht mehr fit, geht ab ins Bett und bekommt auch immer mehr Temperatur.
Alice hängt immer bei den Mädchen des Hostels rum, wird geschminkt, mit Schmuck behängt und kriegt ihr erstes Henna-Tattoo auf die linke Hand. Sie wird von den Mädchen total umschwärmt. Claudia, Louis und ich gehen dann um 17.00 h zum wöchentlichen Prayer des Staffs. Sie freuen sich, dass wir auch dabei sind. Eigentlich wollte Louis mittendrin abdüsen, was glaube ich auch kein Problem gewesen wäre, jedoch dauert das ganze gar nicht so lange und zum Schluss gibt es sogar noch ein süsses Bonbon, dass ihm total schmeckt.

Als wir zurückkommen und der abendliche Stromausfall fertig ist, spinnt unsere Notstrombatterie und sie beginnt sogar leicht zu "schmürzelen". Sofort nehme ich sie vom Netz und stecke das Ganze auf Normalstrom um. Uns schwant schon böses, wenn wir an die Nacht denken. Natürlich ist niemand mehr da, der uns die Batterie wechseln könnte und nachts kommt es immer wieder zu Stromausfällen. Wenn das dann der Fall ist und die Ventilatoren nicht mehr laufen, dann gute Nacht... oder eben halt heisse Nacht.

Sämi ist am ganzen Körper heiss wie ein Ofen. Er nimmt das aber ganz tapfer und kann zum Glück gut einschlafen. Während dem die anderen schon ins Bett wandern, gehen Louis und ich beim Torwächter noch die Schlüssel holen, um im Büro noch ins Internet zu gehen. Mein "Mudje jabii milega" (kann ich den Schlüssel haben), versteht er sofort und wir düsen ab ins Büro. Wir freuen uns über die Kommentare in unserem Blog und hoffen, dass ihr versteht, wenn wir nicht auf jeden einzelnen Antworten. Als dann unser Skype anzeigt, dass Grosi oder Grosspapa online sind, starten wir einen Anrufversuch. Zwar wird am anderen Ende abgenommen, aber wir können weder etwas hören noch sehen. Da unser Anruf aber nicht abgehängt wird, vermuten wir, dass man uns zumindest hören kann. So wird dann zuerst parallel eine E-Mail geschrieben, ob dem so sei, was prompt bestätigt wird. Wir versuchen nun einseitig das Problem mit mündlicher Anleitung zu lösen. Als das nichts hilft, versuchen wir es mit TeamViewer, einem Programm, das mir erlaubt, auf andere Computer zuzugreifen. Die mündliche Anleitung reicht und schon bald kriege ich von Grosi, das nötige Passwort und wir können von Indien aus den PC meiner Eltern bedienen. Das Bild von Grosi auf unserem Bildschirm kriegen wir zwar nicht hin, aber immerhin funktioniert dann der Ton. Unglaublich, was mit den technischen Mitteln alles möglich ist. Und das ganze ist mit Skype erst noch gratis!! So tauschen wir noch ein paar News aus und machen uns dann auf den Weg ins Bett.

In der Nacht trifft natürlich prompt ein, was wir befürchtet haben. Es ist sonst schon tropisch heiss und jetzt machen noch unsere geliebten Ventilatoren schlapp. Für uns bleibt nur noch eins: nicht bewegen, den Schweiss einfach runter laufen lassen und an etwas Schönes denken, in der Hoffnung, dann doch noch wieder einzuschlafen zu können...
(Rémy)

Nachtrag von Claudia: Obwohl wir fast auslaufen, friert Sämi plötzlich! Der arme hat wirklich Fieber! Trotz Hitze muss ich ihm sogar eine Decke bringen ... Ich kann's fast nicht glauben ...

Montag, 10. August 2009

360 x Huup - Schulbesuche

Ein kleiner Nachtrag zur letzten Fahrt vom Kiran nach Varanasi. Louis hat mitgezählt: Die etwa 10 km lange Fahrt dauert ungefähr 45 min und unser Fahrer hat so ungefähr 360 mal gehupt. Noch Fragen zum indischen Fahrstil?


Die nachfolgende Filmsequenz ist nicht so dramatisch, eher vergleichbar mit einer wenig befahrenen Nebenstrasse in der Schweiz.







Um 09.00 h sind wir zum Morning Prayer mit allen SchülerInnen und auch mit allen Kiran-MitarbeiterInnen, für die montags der Besuch Pflicht ist, versammelt. Mit Gesang und in sich gehen wird die Andacht jeweils begonnen. Da wir von den Gesängen und Gebeten noch nicht viel verstehen, müssen wir uns jeweils noch etwas an den anderen orientieren. Schon am ersten Tag, beim Gebet vor dem Essen haben wir aber gemerkt, dass es meistens mit "Shanti, shanti, shanti", "Frieden, Frieden, Frieden" endet. Es gibt zudem noch Informationen von Sangeeta und Promilla, dies jeweils in Hindi. Claudia und ich vermuten unabhängig voneinander, dass Sangeeta dazu aufgefordert hat, kompostierbaren Abfall vom anderen zu trennen. Ob's stimmt? Wir müssen mal nachfragen.
Die Morgenandacht endet mit einem schwur- oder eidähnlichem Vor- und Nachsprechen der Kinder, in dem sie ihrer positive Einstellung und ihrem Dank Ausdruck geben. Unter anderem wird glaube ich auch gesagt "God bless our teachers". Man stelle sich das mal bei uns in der Schweiz vor.

Am Vormittag machen wir Schulbesuche in den zukünftigen Klassen unserer Kinder. Es ist so ziemlich alles anders als in unseren Schulen. Vom Lerntempo über die Ausstattung, bis zur Art und Weise des Dividierens. Totally different. Sämi kann gleich zu Beginn beim Dividieren bei seiner Lehrerin Punkte sammeln und findet in Bablu schnell einen Freund.

Nach einer Weile lasse ich ihn alleine und treffe ihn erst beim Mittagessen wieder. Dieses hat er zusammen mit seinen neuen Mitschülern schon eingenommen und er fühlt sich sehr wohl. Nach der Mathikstunde, die aus einem Mix aus Hindi und Englisch besteht, sei es in Hindi zum Thema "wichtige Bauten in Indien" weitergegangen, so habe er für sich noch etwas weitergerechnet. So guet!

In Louis Klasse herrscht ein bisschen Ramba-Zamba. Findet da überhaupt Unterricht statt. Anfänglich kommen wir gar nicht so richtig nach. Es hat zwar eine "Lehrerin" im Raum, aber die Kinder arbeiten nicht wirklich. Es stellt sich dann heraus, dass die eigentliche Lehrerin mit anderen an der Vorbereitung einer Darbietung für den Nationalfeiertag beschäftigt ist, und die anwesende Frau eigentlich nur die Kinder beaufsichtigt, damit nicht gleich alles drüber und drunter geht. Claudia macht von allen eine Foto und notiert deren Namen.

Alice hat heute etwas Heimweh und ist etwas melancholisch. Wir denken, dass das halt immer wieder mal vorkommen wird. Es ist ja auch eine enorme Leistung, die unsere Kinder da erbringen. Ist es doch nicht einfach, wenn man gar nichts versteht, nicht recht weiss, ob jetzt Hindi oder Englisch gesprochen wird (Stop! Louis sagt gerade, dass er es jetzt unterscheiden könne. Sorry!) zudem ist es sehr sehr heiss hier (yaha bohot garmi hai) und ans Essen muss man sich auch noch gewöhnen. Aber auch in dieser Situation machen es unsere Kinder wirklich sehr gut. Sie werden deshalb auch von vielen hier im Kiran bewundert.

Eingangs des Kiran hat es einen kleinen Tee-Laden (Teastall), den Sämi, Louis und ich besuchen. Er wird geführt von Rajkumar und seinem Helfer Koushtuv. Beide lernen so, wie man Leute bedient, wie man Geldbeträge zusammen rechnet, Buch führt über das Verkaufte, Waren wiegt etc. Es gibt Chai, Kaffee, kühle Getränke, Biscuits, Süssigkeiten und (mmh!) Pakouri (scharfes, frittiertes Gemüse aus der kiraneigenen Bäckerei), für uns das ideale Apéröli. Sogar Louis mag es, obwohl es Zwiebeln darin hat (wer Louis Essgewohnheiten kennt, staunt darüber).
Die Idee des Teastall ist wirklich genial. Die beiden können so in einem "geschützten" Rahmen ihre eigenen Erfahrung als Ladenmanager machen, zudem schätzen die Kiran-Leute dieses Angebot sehr und unterstützen die beiden mit ihren regelmässigen Besuchen.
Als Orientierung für alle Nicht-Indien-Kenner hier ein kleines Preisbeispiel: 1 Chai kostet im Teastall 3 Rupien, ein Kaffee 4 Rupien. Um von Rupien auf Franken zu kommen, rechnet man einfach durch vierzig. Also 40 Rs sind etwa 1 Franken. Wie viele Indische Kaffees es für einen Schweizer Kaffee gibt, könnt ihr selber ausrechnen...

Auf dem Nachhauseweg gehen wir noch beim Meditations-Raum vorbei, der praktisch neben unserem Guesthouse liegt. Ein wunderschön gestaltetes kleines, rundes Häuschen, umgeben von einem romantischen Teich mit wunderbaren Blumen. Deepu, ein Mädchen vom Girls-Hostel winkt uns herein. Claudia und Alice sind schon dort und so nehmen wir auch noch spontan am Prayer der Jugendlichen teil. Ich vermute, dass die Girls und Boys, deren Hostels ganz klar getrennt sind (das Boys-Hostel liegt sogar ausserhalb des eigentlichen Kirangeländes) nicht nur den religiösen und meditativen Charakter des Prayers schätzen, sondern auch die Möglichkeit, dort gegenseitigen Kontakt pflegen zu können.
(Rémy)

Sonntag, 9. August 2009

Ravinivas - khelnã khelnã - Ham sãñp dekhthe!

Wie der Name erraten lässt, ist das Ravinivas das Zuhause von Ravi. Obwohl wir offiziell noch nicht im Einsatz sind, nehmen wir heute unsere erste kleine, regelmässige Arbeit auf. Diese besteht nämlich darin, dass jemand von uns (Claudia oder Rémy) Clementia unterstützt, wenn diese Ravi aufnimmt, wäscht und ankleidet. So stehen unser grosser Ravi-Fan Sämi und ich bereits wieder um 06.30 h auf und sind dann rechtzeitig um 07.00 h bereit beim Ravinivas. Clementia ist nicht mehr die Jüngste und ist deshalb froh, wenn man ihr bei der Morgentoilette von Ravi etwas unter die Arme greift. Ravi ist zwar ein schmaler Bursche, jedoch auch schon etwa 15 oder 16 Jahre alt (das weiss man nicht so genau). Zuerst heisst es ausziehen und Ravi ins Bad tragen. Dort wird er auf den Fussboden gesetzt, die Zähne werden geputzt (elektrisch!) und dann gibt es das grosse Einseifen von Kopf bis Fuss. Clementia fackelt nicht lange und schruppt ihn kräftig ein. Das scheint Ravi überhaupt nichts auszumachen. Dann mit dem Wasserschlauch gründlich abspritzen, in ein Tuch einwickeln, aufs Bett tragen, Trockenreiben und anziehen. Danach setzen wir Ravi in seinen Rollstuhl, binden ihn fest und fertig ist die Morgentoilette. Da das Ganze so schnell gegangen ist, machen Sämi und ich noch einen kleinen Morgenspaziergang mit Ravi. Bereits jetzt spüren wir, es wird ein heisser Tag...
Beim Morgenessen dann der grosse Schock. Unser Brot ist angeschimmelt. War wohl keine gute Idee, dieses aus dem Kühlschrank zu nehmen und in einer Brotbüchse aufzubewahren, wie bei uns zu Hause. Jetzt kann uns nur noch das Girls-Hostel retten. Dhanyawãd, dhanyawãd! Die Capãti und Geschwelti mit Konfitüre schmecken lecker und füllen unsere Bäuche. Dazu trinken wir unseren obligaten Chai, den alle gerne haben.

Bereits vor dem Mittagessen stürzen wir uns zur Abkühlung ins Bassin. Das Wasser von gestern ist zwar nicht mehr ganz so frisch, aber trotzdem erfrischend. Zum Mittagessen nehmen wir ein paar Spiele mit: Brändi Dog, Shot the box und Car jitna (Vier gewinnt). Bereits nach kurzer Zeit bricht das Spielfieber aus. Claudia und die Jungs bringen den Mädels Dog bei, was diese erstaunlich schnell begreifen. Bohot acchî! Ich nehme zuerst Vier gewinnt und lerne folgende Wörter neu: lal (rot), pila (gelb) Mai chitga! (Ich habe gewonnen!) und Mai hardia (Ich habe verloren). Sogar bei Nidhi und Punam (beide gehörlos) gelingt es schnell, dieses Spiel beizubringen. Zum Teil spiele ich sogar stereo, mit der einen Vier gewinnt und mit der anderen Shut the box. Bald schon erklären aber die Mädchen einander gegenseitig, wie die Spielregeln gehen. Was will man mehr? Da spielt die Pädagogik von alleine. Oder ist das jetzt Didaktik? Ach, lassen wir das!
Bei Shut the box merke ich schnell, dass dieses Spiel etwas für die Schule wäre. Da werden nämlich fast alle Additionen und sei dies nur 2 plus 3, an den Fingern abgezählt. Auch 12 plus 10 wird mit Hilfe der Finger gerechnet. Ich denke, da könnte dieses Spiel sehr gut weiterhelfen. Einerseits beim Rechnen im unteren Zahlenbereich, andererseits auch beim Lernen der Englisch gesprochenen Zahlen. Mal schauen, vielleicht kann ich dieses Spiel der IQ-Toys-Werkstatt des Kiran schmackhaft machen. Wenn das klappen würde, könnte man es dann in der Schule einführen. Das wäre toll, aber alles zu seiner

"AAUUUTSCH!!!!, ich glaub's einfach nicht, jetzt hat mich doch soeben eine dieser Ameisen in einen Zeh gebissen und ich blute!?! Klar sind die Dinger etwas grösser als bei uns, so etwa 1-1,5 cm gross. Aber dass die mich gleich blutig beissen müssen? Ich fand die eigentlich noch friedlich. Wahrscheinlich bin ich ihr zu nahe getreten." - Vita-Merfen, Spraypflaster und weiter geht’s.

Also, alles zu seiner Zeit ("donidoni" auf Djoula und ich glaube "dhire dhire" auf Hindi), langsam langsam.

Nach dem Spielen gibt es noch ein feines Zvieri (frittierte Bananenkügelchen und Chai) und Jintamani, der für das Becken zuständig ist, teilt mit, dass das Wasser gewechselt wird. Claudia hilft noch etwas beim Becken putzen und ich mache einen leider vergeblichen Internetversuch, da es wieder einmal heisst bijlî nahiñ hai (Stromausfall). Das kommt mehrmals täglich vor, heute ist Sonntag und der Notstrom speist nur die Hostels und unser Guesthouse, aber nicht den Bürotrakt. Und wenn dann in der Nacht der Strom ausfällt und unsere Notstrombatterie auch alle ist, dann heisst es dann Yaha, bohot garmi hai (Hier ist es sehr heiss). Was es heisst, ohne Ventilator im Büro zu sitzen und am Compi zu schreiben, erlebe ich heute. Der Schweiss läuft bachweise den Körper runter, ich halte aber tapfer durch, bis der PC in den Stand By Modus fällt, weil auch bei ihm der Akku leer ist. So bleibt mir nichts anderes übrig, als Übung abbrechen, zusammenpacken, Badehose anziehen, T-Shirt anbehalten und dann indische Regeln hin oder her - schwupp ein Sprung ins kühle Nass. Und niemand stört es...

Ja, und eigentlich wollte ich mich heute Nachmittag, als Sangeeta beim Zvieri vorbeikam, bei ihr beschweren, da wir unsere Taschenlampen extra der Schlangen wegen mitgenommen haben... und ihr wisst schon was, oder?
Louis und ich wechseln nach dem Baden im Guesthouse die Kleider und machen uns auf den Weg zum Girls Hostel und oops! Oeuf oeuf que lac je im Schein der Taschenlampe?? Da liegt doch tatsächlich eine 8 Meter lange Boa Brain Constructor vor uns auf dem Weg. Mit aufgerissenem Mund und fletschenden Giftzähnen bäumt sie sich vor uns auf und verwandelt sich in ein riesiges Ungetüm, einem feuerspeienden Drachen ähnelnd. Ich ziehe meinen Indiana Jones Dolch und... Ah nein, sorry, das ist der falsche Film. Also, da liegt doch tatsächlich meine lang ersehnte erste Schlange vor uns auf dem Boden. Wir bleiben stehen - oder ehrlich gesagt, machen noch zwei Schritte rückwärts - und lassen das liebe Tierchen davon schleichen. Aber so ungefähr einen Meter lang war das Teil schon. Nur konnten wir in der Dunkelheit nicht viel mehr von ihrem Aussehen erkennen. Fazit: Auch meine lieben Familienmitglieder werden in Zukunft nicht mehr ohne Taschenlampe und/oder barfuss durchs Dunkle wandern...
Das Essen hat trotzdem wieder wunderbar geschmeckt. Es war auch etwas more spicy und die Kinder kommen langsam auf den Geschmack.
(Rémy)
PS. Es kann dann gut sein, dass unsere Texte mit der Zeit etwas kürzer und vielleicht auch nicht mehr täglich ausfallen. Es ist nämlich schon wieder spät und ich gehe jetzt schlafen (schwer verletzt, sch.... äh schöne Ameise!)