Donnerstag, 31. Dezember 2009

Silvester

Silvester feiern wir ganz gemütlich. Am Dienstag im Prayer wurde beschlossen, dass wir heute ein Kiran-Get-Together veranstalten. Das heisst, es wird gemeinsam gekocht, parallel dazu wird (vor allem für die Kinder) ein Film gezeigt und anschliessend wird gegessen. Heute sind ausnahmsweise auch die Trainees dabei. Sie freuen sich sehr. In Etappen wird gegessen und es schmeckt wieder einmal wunderbar. Puri, Sabji, Paneer, spezieller Djawal und noch ein süsses Stückchen zum Nachtisch. Wir platzen fast aus allen Nähten, ausser Louis, der hat eine Magenverstimmung und muss auf unser Geheiss die Finger von den fritierten Puris lassen (So en Saich!). Nach dem Essen gehen die meisten nach Hause, ist es seit gestern, wo es doch tatsächlich geregnet hat, doch wirklich "schweinekalt". Die Sonne vermag sich gegen den Hochnebel nicht durchzusetzen und so schlottern wir uns einen ab. In den Häusern ist es ziemlich frisch und hätte Sämi nicht ein Silvesterfeuer vorbereitet, so wären wir wohl alle frühzeitig in die Heja gegangen, um uns in Wolldecken gehüllt aufzuwärmen. Sämis Feueridee ist wirklich super. Er organisiert alles selber, baut eine Feuerstelle, sammelt Holz, holt Stühle und richtet sogar eine Wasserleitung ein, falls es zu einem Grossbrand kommen würde (ist bei dieser Witterung aber seeeehhhr unwahrscheinlich). Auf alle Fälle harren wir am wohlig warmen Feuer bis um Mitternacht aus. Kurz vor dem Jahreswechsel kommt noch Ashok dazu und quasselt uns mit Hindi voll. Irgendwie will er, so glauben wir, dass Ivo und Franziska endlich heiraten, ist das doch in Indien ein "haltloser" Zustand. Um Mitternacht rum, natürlich weiss niemand, wessen Uhr jetzt genau geht und es geht keine gleich wie die andere, wünschen wir uns "Happy New Year" und gehen dann ziemlich rasch in die Pfanne, weil das Feuer langsam ausgeht und die Kälte die Beine hochkriecht.
(Rémy)













Madhopur-Varanasi zu Fuss

Claudia, Louis und Alice sind schon seit gestern in Varanasi. So machen wir zwei (Sämi und Rémy) uns am 27.12.2009 zu Fuss auf den Weg in die Stadt. Alles der Ganga entlang. Es ist faszinierend, wie sich ihr Gesicht immer wieder wandelt. Nach etwa einer Stunde verschwindet sie für unsere Blicke plötzlich im Boden und wir finden uns fast in der Wüste wieder. Später taucht sie dann aber wieder auf. Sie hat sich ganz am anderen Ufer entlang versteckt. Hoch auf der Bypass-Brücke entdecken wir nebst den vielen Lastwagen einen Elefanten. 4 Stunden nach unserem Start, nach ca. 14 Kilometer und mit etwas müden Beinen kommen wir vor der Ramnagar-Brücke an. Jedoch befinden wir uns auf einer Sandbank und wir müssten wieder etwa einen Kilometer zu Fuss zurück gehen, obwohl das Ufer nur etwa 20 Meter entfernt ist. Zum Glück hat es dort einen Fischer, der uns diesen Umweg erspart und uns in seinem Boot ans "rettende" Ufer bringt. Es waren schöne, fast meditative Stunden in der warmen Wintersonne...
(Rémy)















































Weihnachtsfeier im Kiran

Am 22. Dezember 2009 findet die Weihnachtsfeier im Kiran statt. Für einmal ist Claudia nur hinter den Kulissen (Support beim "Bumbaro") tätig.

Sämi spielt, wie schon im Blog erwähnt, wieder den Arzt im Drama.

Louis posiert als Josef...


...Rémy macht den Chlaus...


und Alice tanzt zusammen mit zwei Mädchen aus dem Kiran (hier klicken).

Dienstag, 29. Dezember 2009

Exercice for drama - Proben fürs Theater

Ich bin jetzt gerade am üben für mein Theater am Sonntag. Ich warte bis ich an die Reihe komme, das dauert ein Weilchen, weil ich erst am zweiten Teil mitmache.

Jetzt bin ich dran, ich bin Doktor und sage jetzt zu Somnath, meinem Arzt Kollegen: "Tschandan gian me bi dumhare sat tschal sakta hu", was heissen will: " Tschandan, kann ich auch mit dir kommen?" Sie sind zufrieden. Das ganze Theater ist zwar in Wotschburi (eine sprache) aber sie sagen Wotschburi sei zu schwierig für mich, und als sie den Satz jetzt eben in Wotschburi sagen stimme ich ihnen zu.

Wir haben immer am Abend um neun üben, aber heute Samstag haben wir um 15.00 Uhr. Wir sind zweieinhalb Stunden in der Halle und das an einem Samstag- Nachmittag. Es nervt mich ziemlich weil das Theater etwa 40 Minuten geht und wir es in diesen zweieinhalb Stunden nur zweimal machen. Den Rest der Zeit müssen sie Mikrofons prüfen und suchen, wegen der Musik schauen und zum Schluss kam der Musiklehrer auch noch zu spät. Das alles weil die Inder halt manchmal ziemlich unzuverlässig sind!!

Theater am Assi (13.12.09)

Wir sind alle sehr aufgeregt. Jetzt bin ich dran ich bin sehr aufgeregt, aber es geht sehr gut, nur hat man mich nicht gehört da auch mein Mikrofon nicht geht, wie ihr unten dann sieht ist es nicht das einzige. Etwas war nicht so gut nämlich das Somnath sich Tigerbalsam unter die Augen streicht weil er in diesem abschnitt weinen muss, aber er hat viel zu viel genommen und muss sich danach ständig in den Augen reiben.
Etwas war auch nicht so schon und zwar das wir über 20 Kabel und etwa sechs Mikrofons auf der Bühne haben und etwa zwei oder drei Mikrofons gehen!!

Trick:
Ich gebe Somnath immer die Hand, da ich ja nichts verstehe drückt er mir die Hand, wenn ich an der Reihe bin.

Am 22.12.09 machen wir das Theater noch mal, diesmal aber in der Prayerhall im KIRAN-CENTER.
(Sämi)

Sonntag, 27. Dezember 2009

Leben und Sterben an den Ghats von Benares (Varanasi)

Nach der Weihnachtsfeier im Kiran fahren Sämi und ich mit dem Staff-Bus bereits um 14.00 h in die Stadt. In Lanka steigen wir aus. Bablus Früchtestand sieht ganz anders aus als sonst. Vor ein paar Tagen kam die Polizei und veranlasste, dass das alte Gerüst, welches als Dach für die Marktstände diente, wegen eines Neubaus, der dahinter entstanden ist, abgerissen wird. Das gab ziemlich Aufruhr und in der Verzweiflung und aus Angst, die ganze Existenzgrundlage zu verlieren, habe sich ein Gemüsehändler sogar mit Benzin übergossen und angezündet. Jetzt stehen die Marktstände einfach etwas näher an der Strasse. Tragisch finde ich vor allem, dass dieser Mann, wohl wegen eines Kommunikationsproblems sterben musste. Gut, wer weiss, vielleicht dürfen die Stände nur vorübergehend dort stehen bleiben und müssen dann trotzdem einmal weichen. Solche Geschichten gehen auf alle Fälle unter die Haut.
Wir machen uns zu Fuss auf den Weg zum Sankat Mochan Tempel (Schrein des Affengottes Hanuman). Sankat Mochan bedeutet soviel wie "von Leiden befreien" und jeden Dienstag und Samstag besuchen Tausende von Gläubigen diesen Tempel und stellen sich in die lange Schlange, um zu Hanuman zu beten und ihm Opfer zu bringen. Das mit Dienstag und Samstag erfahren wir erst im Nachhinein und natürlich... heute ist Dienstag! Nach zwei drei Extrakurven, welche uns dank der milden Nachmittagssonne nichts ausmachen, finden wir den Tempel, geben Fotoapparat und Handy ins Schliessfach und machen uns auf zum Eingang. Die Eingangsstufen berühren wir mit unserer rechten Hand (tief gläubige Inder legen sogar die Stirn auf jede Stufe) und passieren dann die Sicherheitskontrolle. Drinnen angekommen hat es nebst sehr vielen Leuten, auch sehr viele Affen, welche kreuz und quer rumrennen. Unsere Schuhe deponieren wir bei einem der vielen "Schuhwächter" und gehen dann weiter um zu schauen, "was zu tun ist". Es sind wirklich sehr viele Leute hier, die in drei langen Schlangen anstehen. Eine mit Frauen, die anderen zwei mit Männern. Praktisch alle haben eine kleine Kartonschachtel und Blumenkränze in der Hand. Im Tempel drinnen hat es Stände, wo man Süssigkeiten und Blumen kaufen kann und das machen wir schliesslich auch und stellen uns in die lange Schlange, die sich nur zögernd und stossweise vorwärts bewegt. Zwischendurch hört man immer wieder, wie jemand etwas laut sagt, wahrscheinlich "Gott ist gross" oder "Ehre sei Hanuman" oder so ähnlich und fast alle stimmen dem dann lautstark zu, so dass es in den Hallen eindrücklich widerhallt "Hare hare!". Je näher wir zum Schrein (Altar) kommen, desto mehr spitzen wir unsere Ohren und schärfen unseren Augen, blicken links und rechts, um zu erfahren, was wir denn eigentlich tun müssen, wenn wir dann vorne angekommen sind. Kurz bevor wir dort sind, sehen wir, dass die Leute Geldscheine entweder in der Hand oder in der Kartonschachtel haben. Schnell klaube ich einen 10-Rupien-Schein aus der Hosentasche und stecke ihn unbemerkt in unsere Süssigkeiten-Box. Je näher wir kommen, desto grösser wird das Gedränge und dann geht alles ganz schnell: die Blumen kommen auf den Altar, die Rupien werden rausgenommen, die Box kriegen wir zurück, dann gibt es noch geweihtes Wasser in die rechte Hand, welches ich dann auf mein Haupt tropfen lasse (habe ich kurz vorher bei einem Inder abgeschaut), wir kriegen unser Bindi auf die Stirn und dann geht es rückwärts gehend zurück, die letzte Stufe vor dem Schrein wird nochmals berührt und dann ist's vorbei.
Sämi und ich entscheiden uns wieder zu gehen, da der Tempel wirklich sehr voll ist und nicht unbedingt zum Verweilen anregt. Und schliesslich sind wir ja auch schon eine ganze Weile in der Schlange gestanden. Ein paar Süssigkeiten füttern wir den Affen, welche aber nicht grossen Appetit verspüren. Es scheint, als haben sie ihre Bäuche des grossen Andrangs wegen schon voll geschlagen.
Zu Fuss gehen wir wieder nach Lanka, wo wir uns mitten auf der Kreuzung, zwischen Verkehrslärm und Strassenarbeiten eine Lassi gönnen. Lassi ist ein typisch indisches Joghurt-Getränk, das man als Nicht-Inder wohl besser nicht einfach überall auf der Strasse kauft. Wir haben uns aber über diesen Lassi-Stand informiert und schon vorher ohne nachherige Probleme davon gekostet.
Frisch gestärkt machen wir uns auf zum Assi-Ghat, wo wir die Pizzeria links stehen lassen, weil wir den Ghats entlang flussabwärts Richtung Godowlia spazieren wollen. Die Spätnachmittagsstimmung ist immer noch schön, jedoch gehen die Temperaturen schon merklich zurück, da die Sonne schon tief steht. Wir montieren unseren Faserpelze und staunen ob der vielen Knaben und auch jungen Männern, welche Drachen steigen lassen. Es geht nicht mehr lange und da wird am 14. Januar 2010 Makar Sankranti gefeiert, der Tag an dem es in ganz Indien zum grossen Drachenfliegen kommt. Die Drachen sind ganz einfach, kosten nur 1 Rupie (ohne Schnur), schweben teilweise aber ein paar Hundert Meter entfernt und relativ flach über der Mutter Ganges.
Langsam kommen wir in die Nähe des Harishandra Ghat, einem der beiden Verbrennungsorte am Ganges. Ich frage Sämi, ob er sich das Anschauen wolle. Er bejaht. Schon aus einiger Distanz sehen wir, dass heute Einiges los ist. Es brennen etwa vier Feuer gleichzeitig. Wir lehnen an einem Geländer und schauen interessiert zu. Die Stimmung ist eindrücklich. Da auf einmal entdecke ich nur wenig von uns entfernt ein kleines weisses Bündel am Boden liegen und ein paar Leute die drum herumstehen. Mir wird sofort klar, dass es sich da um ein totes Kind handelt. Kurz darauf kommen drei Frauen dazu, kauern sich um den Leichnam und lassen lautstark ihrem Wehgeschrei, ihrem Schmerz freien Lauf. Mir schnürt es dabei die Kehle zusammen und ich muss ein paar Mal tief durchatmen. Normalerweise dürfen Frauen nicht direkt an die Verbrennungsstätte kommen, sondern sie müssen etlichen Abstand halten. Teils wird gesagt, dies sei des Wehgeschreis wegen und weil es für sie zuviel sei. Eine andere Begründung liegt darin, dass sich Frauen früher aus Verzweiflung auf den brennenden Scheiterhaufen ihres Ehemannes geworfen haben, um sich bei lebendigem Leibe selbst verbrennen zu lassen. Bei Kindern scheint das anders zu sein. Die drei Frauen werden geduldet, das Wehklagen durchdringt Mark und Bein. Ich erkläre Sämi, dass das Kind nicht verbrennt wird. Kinder unter zehn Jahren, wie auch schwangere Frauen, Menschen, die durch den Biss einer Kobra getötet wurden und Sadhus (heilige Männer) gelten als rein und müssen nach hinduistischem Glauben nicht durch das heilige Feuer gereinigt werden. Trotzdem werden sie dem heiligen Fluss, der Mutter Ganges übergeben. Sämi staunt darüber, dass die Männer ihre Gefühle so gut im Griff zu haben scheinen. Aber kaum hat er das gesagt, beginnt auch einer der Männer, wahrscheinlich der Vater, lautstark zu weinen.
Eine grosse Steinplatte wird gebracht und der kleine Leichnam wird darauf gehoben. Zwei Männer binden ihn mit Seilen sorgfältig und fest an die Steinplatte. Plötzlich kippt der Kopf des Kindes seitwärts - mich schaudert. Ein Zeichen, dass da wirklich ein kleiner Mensch in dieses Tuch gehüllt ist. Obwohl es mir ja von Anfang an klar ist, fährt mir diese Bewegung des Kopfes in die Glieder. Die Frauen müssen nun endgültig Abschied nehmen. Die Steinplatte mit dem Leichnam wird vorsichtig auf das Heck eines Ruderbootes getragen. Der Vater und ein anderer Verwandter besteigen das Boot ebenfalls. Sie haben Mühe, es scheint fast, als würden sie das widerwillig machen. Sie wissen, was dieses Einsteigen auf dieses Boot für eine Bedeutung hat. Ihnen zittern die Knie. Der Vater setzt sich und sinkt in sich zusammen. Langsam gleitet das Boot mit dem Leichnam vom Ufer weg. Wir schauen dem Boot nach, immer noch mit trockener Kehle. Das Heck mit dem Leichnam schaut immer noch in unsere Richtung. In der Mitte von Mutter Ganga angekommen, dreht das Boot und kommt zum Stehen. Kurz danach schiebt der eine Verwandte die Steinplatte über den Bootsrand und übergibt den kleinen leblosen Körper dem heiligen Fluss.
Das Boot nimmt wieder Kurs auf das Ufer zu und nach kurzer Zeit steigen alle wieder aus. Nachdem der Junge, welcher das Boot gerudert hat, sein Geld gekriegt hat, geht er zurück aufs Boot und widmet sich seiner eigentlichen Hauptbeschäftigung für heute, er lässt seinen Drachen steigen. Die Verwandten weinen am Ufer immer noch um das verstorbene Kind. Und da nehmen sich plötzlich Mutter und Vater weinend in die Arme - in aller Öffentlichkeit. Etwas, was ich bis jetzt in Indien noch nicht gesehen habe. Es tut gut.
Kurz darauf gibt es noch eine lautstarke Diskussion um den Preis für die letzte Bootsfahrt des Kindes. Der Bootsjunge befestigt seinen Drachen am Boot und klaubt aus der Hosentasche gleichgültig ein paar Rupien. Wahrscheinlich hat er das Rückgeld noch nicht ausgehändigt. Dann widmet er sich wieder seinem Drachen. Die paar Trauernde gehen ihres Weges und steigen die Treppen des Ghats empor.
Auch wir gehen ein bisschen weiter, etwas näher zu den Feuern, aber trotzdem noch mit Respekt zollendem Abstand. Ich erinnere mich kurz an den Artikel aus "Das Magazin", welcher ich im Blog vom 3. August 2009, erwähnt habe, und in welchem so völlig überrissen über die "verrückteste Stadt der Welt" geschrieben wurde. Es steht da "Varanasi ist der schrecklichste Ort der Welt. Es ist viel zu heiss. Es ist zu laut. Es stinkt. Hier sind viel zu viele Menschen. Hier werden öffentlich Tote verbrannt. Überall ist Scheisse. Hundescheisse, Kuhscheisse, Ziegenscheisse, Affenscheisse, Menschenscheisse. Und Abfall. Und Dreck. Man wird belogen und betrogen und abgezogen. Der Strom fällt täglich mehrmals aus. Es gibt keinen Alkohol. Irgendwann kriegt man hier unweigerlich Durchfall. Und trotzdem ist es so schön, dass man sich freut, schlafen zu gehen, weil es bedeutet, hier wieder aufwachen zu können." Ich finde diesen Stil reisserisch. Aber scheinbar müssen Artikel in unseren Hochglanzblättern so geschrieben werden, damit sie überhaupt noch Beachtung finden.
Praktisch stumm schauen wir den Feuern zu, nur ab und zu wechseln wir ein paar Worte. Es ist ein Durcheinander von Menschen und Tieren, von Kindern und Erwachsenen, von Trauernden und drachensteigenlassenden Lachenden. Und trotzdem stimmt für mich das Ganze. Hier ist Leben und Sterben so nahe beieinander, wie es eigentlich auch sein sollte. Bei uns ist der Tod, das Sterben ja eigentlich immer noch so etwas wie ein Tabu. Man stelle sich einmal vor, an einer Beerdigung würden Kinder nebenan Drachen steigen lassen. Ich erinnere mich noch, wie wir in Kriegstetten den Kindern jeweils verbieten mussten, den kürzeren Schulweg über den Friedhof zu nehmen, wenn gerade eine Beerdigung stattfand. Und wenn ich mir dann vorstelle, dass ich vielleicht einmal ganz alleine in einem anonymen Krematorium von Menschen, denen ich überhaupt nichts bedeute in einen Ofen geschoben werde? Da wird mir irgendwie komisch zu Mute. Viel schlimmer wäre da nur noch ein Begräbnis ohne Verbrennung und die Vorstellung dann von Würmern... aber lassen wir das. Ich wünschte mir auf alle Fälle viel lieber an den Ghats der Ganga oder meinetwegen am Ufer der Emme oder der Aare im Beisein meiner Familie verbrennt zu werden. Forget it! Die Schweiz ist da viel zu sauber und das würde doch stinken! Stinken? "Über der ganzen Stadt hängt der süssliche Gestank des Todes", habe ich auch mal irgendwo über Varanasi gelesen. Ich finde, es stinkt überhaupt nicht. Es riecht. Und entweder ist man offen für solche Gerüche oder man bleibt besser gleich zu Hause, eingehüllt in einer parfümierten Wolke aus künstlicher Hygiene, die nichts mit natürlichen Gerüchen zu tun hat. Und nach dem Stuhlgang schnell die Spülung betätigen, das Wasser färbt sich dank der WC-Ente tiefblau und dann noch schnell die Luft mit einem Air-Spray bestäuben, so dass ja niemand merkt, dass man sein Geschäft erledigen musste. Dabei müssen doch alle! Und bei allen stinkt es. Manchmal mehr, manchmal weniger...
Und übrigens finde ich den Duft eines frisch "bschüttenden" Feldes herrlich. DAS IST HEIMAT!! Okay, wenn Bise herrscht und die ätzende Schweine-Bschütti von ennet dem Bleichenberg dir fast die Nase zuteert, dann schliesse auch ich Fenster und Nase ;-)
Auch Sämi scheint sich an diesen Gerüchen nicht zu stören. Das stimmt mich glücklich. So verweilen wir noch ein bisschen und gehen dann weiter Richtung Godowlia, wo wir uns ins Getümmel der engen Gassen begeben und noch etwas in den Läden rumschmökern. Als wir beim Vishwanath-Tempel vorbeikommen fragen wir, ob wir als Nicht-Inder (wir sehen leider nicht tora-tora-Hindu aus) diesen auch besuchen könnten. Mit Passport sei das am Gate 2 möglich. Wir nehmen uns das für den morgigen Tag vor, obwohl ich nur meine ID dabei habe und von Sämi gar nichts. Bei Sanjay trinken wir noch einen Tschai. Kurz nachdem wir angekommen sind, macht Sanjay noch seine kleine Shop-Puja mit Räucherstäbchen. Er verteilt den Rauch überall. Auch seine Holzschachtel, welche als Kasse dient, öffnet und beräuchert er, schliesst sie aber gleich wieder, damit der Rauch schön drin bleibt. Da müssen die Geschäfte ja gut laufen! Die Idee aber, dass Sämi passierende, solvent aussehende Kundinnen und Kunden in den Shop locken soll, erweist sich dann aber als erfolglos. Obwohl Sanjay ihm Tipps gibt, wen er ansprechen soll und wen nicht: "No, no, not them. They look to much like hippies, they don't have money. Hippies are not good for business", und wir lachen uns die Bäuche voll. Auf dem Rückweg zu Raju's House klappere ich noch sämtliche Musikläden ab und versuche einen Kapodaster für meine neu erstandene Kiran-Voluntär-Gitarre zu finden. Überall muss ich lang und breit erklären, was das ist. Oft heisst es "yes, yes, have", aber man bringt mir dann entweder eine Elektrogitarre, einen Gitarrenständer, ein Stimmgerät, Gitarrensaiten oder sonst etwas, aber einen Kapodaster scheint hier niemand zu kennen...
Von Sonapur aus nehmen wir dann eine Velo-Ritschka zu Raju's House und ich freue mich immer wieder, wenn die Ritschkafahrer von sich aus den Normaltarif verlangen und nicht unserer weissen Haut wegen das Doppelte verlangen. Nur 20 Rupien will dieser und am Schluss gebe ich ihm gerne noch einen Zehner mehr drauf, den er glücklich und dankend entgegennimmt.

Am nächsten Morgen gehen wir zu Fuss nach Lanka und nehmen dort eine Ritschka zum Durga-Tempel. Der Ritschkafahrer ist ein kleiner, alter Mann, welcher mir mit einem breiten Grinsen einen zu hohen Preis verlangt. Ich grinse zurück und mache mein Angebot, das viel tiefer liegt, da ich weiss, dass es eigentlich nicht so weit ist. Schliesslich einigen wir uns beide grinsend und wissend, dass der Preis immer noch höher als normal ist, aber was soll's, wir mussten alle beide lachen und schliesslich ist bald Weihnacht.
Der Durga-Tempel gefällt uns beiden gut. Wir kaufen wieder etwas Blumen und treten ein. Ein Priester merkt, dass wir einen Moment zögern und nimmt sich unser an. Er ist ganz nett und erklärt uns vieles, was wir eigentlich schon wissen, aber er macht dies mit Scharm und wirkt überhaupt nicht aufdringlich. Am Schluss geben wir ihm ein kleines Trinkgeld und er gibt sich mit dem sofort zufrieden und bedankt sich für unser Interesse. Das war ein positives Erlebnis. Nun wollen wir es aber in den Vishwanath-Tempel versuchen. Nach kurzem Suchen finden wir das Gate no. 2 und fragen, ob das der richtige Eingang für uns Bleichgesichter sei. Das wird bestätigt und sogleich finden wir uns konfrontiert mit einem Priester, der uns auch seinen super Ausweis (wohl den selben, den Claudia und Louis auch schon gesehen haben) zeigt und uns sagt, er könne uns in den Tempel führen, obwohl der eigentlich für Touristen nicht unbedingt zugänglich sind. Wir müssten nicht Hindus sein, sondern einfach die Frage "Do you believe in Hindu gods?" mit "Yes" beantworten. Er sagt uns, wo die Schliessfächer zu finden, die Schuhe zu deponieren, die Opfergaben zu kaufen sind und führt uns an der langen Warteschlange vorbei direkt durch den Eingang. Wir werden von oben bis unten abgetastet und müssen dann zuerst zum Polizeioffizier, um unsere Personalien anzugeben. In eine Art Schulheft muss ich Name, Adresse, Wohnort und Passnummer eintragen. Als ich mit meiner Linkshändertechnik mit Schreiben anfangen will, sagt er mir, ich müsse von links nach rechts schreiben, der meint wohl, ich wolle von oben nach unten schreiben!?! Als ich ihm dann meine ID zeige, meint er natürlich zuerst, dass sei eine Kreditkarte. "You have no passport?" Doch, doch, das sei ein Passport, einfach ein moderner (stimmt ja auch fast, oder?). Und als er dann das Schweizerkreuz sieht, meint er ich sei ein Mitarbeiter des IKRK. Und als er dann nach dem Pass von Sämi fragt, sage ich ihm, dass er mein Sohn sei und keinen Pass brauche und zeige einfach auf irgendeinen Eintrag auf der ID. Auch das glaubt er mir. Sämi muss noch seinen Namen ins "Schulheft" eintragen, ich kriege die ID zurück und wir können weiter. Noch einmal werden wir von oben bis unten abgetastet und treten dann ins Heiligtum ein. Von Heiligtum spüren wir beide eigentlich nichts, es ist ein heilloser Lärm, ein riesen Gedränge und unser Führer muss uns aus nächster Nähe ins Ohr schreien, damit wir ihn verstehen. Schliesslich quetschen wir uns ins Heiligste, um am Lingam unsere Blumen zu opfern. Aber auch dort wird gedrängt und die vielen Gläubigen, welche länger am Lingam verweilen wollen, werden von Tempeldienern ziemlich streng zum Weitergehen gedrängt: "Ayee, ayee, ayee!!". Unser Führer führt uns dann zu einem Priester, der mir ein langes Mantra vorliest, dass ich jeweils wiederhole. In seiner Hand hält er gut sichtbar ein Bündel mit 1000-Rupien-Scheinen und nach dem Ende meint unser lieber Priester, ich müsse jetzt auch eine Spende von 1000 Rupien machen, dass sei dann aber gleich für alle. Das mache ich natürlich nicht, gebe ihm aber eigentlich immer noch viel zu viel. Wir kriegen beide unser Bindi und gehen dann zu einem nächsten Priester, der auch noch schnell ein Mantra spricht, trinken dort eine gelbe Flüssigkeit, welche ich weiss nicht mehr was bewirken soll und kriegen unser zweites Bindi. Auch dieser Priester hat ein Teller voll Geldscheine vor sich, aber unser Führer versichert, dass wir nichts geben müssen (Wenigstens das!). Und dann geht es schon wieder zurück und wir sind beide froh, dass wir aus dem Trubel wieder hinaus kommen. Draussen spricht "unser" Priester dann auch noch ein Mantra für uns und will natürlich auch noch seinen Sold von 500 Rupien, was ich ihm aber nicht gebe. Irgendwie habe ich für den Moment genug Tempel gesehen und nerve mich im Nachhinein, dass ich diesen Typen nicht von Anfang an abgeschoben habe. Was soll's! Vielleicht muss ich nochmals ganz alleine gehen, um etwas von der Spiritualität dieses Tempels zu spüren. Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig.
Draussen in den Gassen findet Sämi dann noch sein ultimativ bestes und schönstes Durga-Bild: Schön gross, gerahmt, hinter Plexiglas und versehen mit bunten Lämpchen und einem richtigen Stromstecker! Natürlich hat es keinen Strom, um das Ding zu testen, aber Sämi gefällt es auch so. Er ist hell begeistert und ich verdrehe wieder einmal die Augen. Wie sollen wir all die Götter in die Schweiz bringen? Und wenn ich daran denke, dass wir erst knapp Halbzeit von unserem Indienaufenthalt haben, was wird sich da noch alles ansammeln?? Aber für einmal will ich nicht so sein und lasse ihn selber entscheiden und auch bezahlen. Sämi strahlt über beide Backen!
Zu Fuss gehen wir an die Ghats und spazieren zum Manikarnika-Ghat, wo wir etwas verweilen und fast das Gleiche wie Claudia und Louis erleben (??). Von dort aus steigen wir die Treppen hoch und verschwinden wieder in den verwinkelten Gassen Varanasis. Wieder kommen wir am Gate 2 vorbei und ich halte Ausschau nach unserem Priester, ich hätte ihm noch etwas zu sagen, von wegen seinem Karma und so, aber natürlich ist er nicht mehr da.
Nach einem feinen Mittagessen im Phulwari machen wir uns zu Fuss wieder auf in die Gassen Godowlias und obwohl wir eigentlich meinten nicht mehr dort vorbei zu kommen, landen wir wieder bei Sanjay. Sämi zeigt ihm sein Durga-Bild und will sofort testen, ob auch die Lämpchen brennen. Stecker rein, Schalter auf "on" und schon knallt und funkt es und das Stromkabel hängt nicht mehr am Bild...!! Meine Güte mussten wir lachen. Das wäre doch noch das Beste gewesen, wenn Sämis Göttin Durga Sanjays Shop abgefackelt hätte!
Auf dem Weg den Ghats entlang Richtung Assi-Ghat treffen wir auf Claudia, Louis und Alice. "Bukh laghi hai!", heisst es und so gehe ich mit den dreien voraus in die Assi-Pizzeria, währenddem Claudia bei Sanjay noch bestellte Kleider abholen geht. Ja, auch das wäre einfacher gegangen, waren wir doch erst gerade dort. Aber es tut gut, auch mal alleine ein paar Schritte machen zu können.
(Rémy)

Samstag, 26. Dezember 2009

Kommentare gelöscht

Hallo alle, die heute oder gestern einen Kommentar geschrieben habe. Ich habe mich verklickt und die Dinger versehentlich gelöscht :-(
Wer nochmals schreiben will, soll das doch bitte tun.

Herzlichen Dank
Rémy

Montag, 21. Dezember 2009

Sonntag, 20. Dezember 2009

Kashi Vishwanath Temple - Der goldene Tempel

Freitag, 18.12.09 Abends
Louis und ich machen uns heute mit dem 15h Schulbus auf in die Stadt. Wir freuen uns auf 1 1/2 Tage nur für uns zwei. Ich habe mich heute Morgen beim Reiten noch mit meiner Helferin unterhalten, ob wir wohl den Vishwanath Tempel besuchen können, weil dieser für nicht Hindus nicht öffentlich zugänglich ist. Sie meint aber, das sei kein Problem, es hätte höchstens viele Leute. So machen wir uns frohen Mutes auf, durch die engen, dunklen Gassen von Varanasi, um Louis Lieblingsgott, Shiva, etwas näher auf die Spur zu kommen.
Bei einer Abzweigung, welche direkt zum Tempel führt, lotsen uns aber die Polizisten weiter einen anderen Weg. Wir laufen einen grossen Kreis aussen herum, die Gässchen werden immer dunkler und schon bald sind auch praktisch nur noch Männer im Dunkeln zu erkennen und Louis fragt, ob ich den Weg zurück noch weiss … Gute Frage, bis jetzt schon, aber langsam verliere ich dann die Orientierung schon! Wir sind auf der Suche nach "Gate No. 2", das wird wohl der Eingang für die Touristen sein. Nach mehrmaligem Sicherstellen, dass wir auch wirklich noch in der richtigen Richtung laufen, kommen wir tatsächlich zum Gate No. 2. Jetzt sehen wir auch das goldene Dach des Tempels: 750 kg pures Gold soll es sein, wow! Die Kuppel glänzt wirklich wunderschön im Scheinwerferlicht. Nachdem wir mehrere Polizeisperren passiert haben, geben wir vor dem "wirklichen" Eingang unsere Schuhe, Taschen, Fotoapparat & Natel ab, kaufen noch Blumen und Milch für Shivas Lingam (sein Symbol) und machen uns auf für die letzte Kontrolle, wo wir natürlich auch abgetastet werden. Alle Polizisten haben extrem Freude an Louis und ich denke, mit mir sind sie auch zufrieden, habe ich doch auf meinem Scheitel seit kurzem auch einen roten Strich, das Sindur, sowie den Punkt, das Bindi, zwischen den Augenbrauen, wie die Hindu Frauen es eben tragen. Als mich dann die letzte Polizistin, welche mich abtastet fragt, ob ich Hindu sei, sage ich "tora, tora", was soviel heisst wie wenig, wenig… Ehrlich wie ich bin wage ich es nicht einfach ja zu sagen. Dann fragt sie, ob ich Sikh sei, und dann sage ich halt einfach ja! Denn Hindu ist Frau einfach entweder ganz oder gar nicht, aber sicher nicht nur einwenig… Später lache ich ausgiebig mit Raju über diese "tora, tora" Episode!
Dann sind wir endlich drinnen! Es hat extrem viele Menschen und wir staunen nur. Louis und ich sind fasziniert: Es hat verschiedene kleine Tempel mit Priestern drinnen, mit Lingams und viele Blumen. Wir gehen zu einem Priester, leeren die Milch und Blumen über das Lingam, lassen uns einen roten Punkt auf die Stirne machen und eine Blumenkette umhängen, geben dem Priester ein paar Rupien und gehen weiter. Plötzlich merke ich eine Veränderung in mir drin: Ein kribbeln in meinem Körper beginnt und ich bin total "offen" für ich weiss doch auch nicht was. Es ist unglaublich, die Kräfte die hier auf uns einwirken, unbeschreiblich. Als ich Louis von meiner Feststellung erzähle, sagt er, er spüre das auch, was das wohl sei? Wir beide sind überwältigt von dieser Kraft die wir plötzlich spüren. Wir sitzen dann noch einen Moment ab, lassen die Kraft weiter auf uns einwirken und gehen wieder. Es ist unglaublich, was wir hier erlebt haben, das werden wir beide nie mehr vergessen. Auch draussen sind wir noch ganz benommen und können dieses Gefühl irgendwie gar nicht einordnen.
Glücklich, zufrieden und dankbar, dass es uns überhaupt möglich war, diesen wunderbaren Kraftort besuchen zu dürfen, machen wir uns wieder auf den Weg zurück. Wir sind noch richtig benommen und geniessen diesen Zustand. Diesmal nehmen wir den direkten Weg und schon bald ist mir alles wieder bekannt. Mit der Veloritschka fahren wir durch die dunkle Nacht von Godowlia, Lanka, BHU zum Heritage Housing, unserem Ziel.
Mit Raju und seiner Familie essen wir Znacht und erzählen von unserem Tempelbesuch und seinen Kräften. In Raju haben wir einen dankbaren Zuhörer: Er ist tief gläubig, kennt viele Geschichten über Götter und für ihn ist auch ganz klar, dass der Vishwanath Tempel ein Kraftort ist.
Louis und ich kuscheln uns in unsere Decke und wir können beide noch gar nicht einschlafen von dem ereignisreichen Abend. Louis sagt: "Mami, gäu mer gönd de weder mou nor mer zwöi zäme id' Stadt?" Ich weiss nicht, ob das nochmals möglich sein wird, unsere Zeit hier in Varanasi läuft langsam ab …

Samstag, 19.12.09
Nach einem typisch, indischen Frühstück - Chapatti & gekochtes Gemüse - bringt uns Raju mit seiner Autoritschka ans Assi-Ghat. Heute wollen wir den Ghats entlang laufen und die Atmosphäre am Ganges geniessen. Es ist ein wunderbarer, sonniger, heisser Tag es blendet uns und es kommt richtige Ferienstimmung auf. Es hat jetzt viele Möven auf dem Ganges und es herrscht eine friedliche Stimmung: Viele Männer und Kinder verbringen ihr Morgenbad im Ganges, Wäsche wird gewaschen, überall sind bunte Tücher am Boden ausgelegt und Wäsche hängt an den Leinen. Kinder lassen ihre Drachen steigen und viele Bootsmänner wollen uns auf ihre Boote mitnehmen, welche wir dankend ablehnen.
Ich frage Louis, ob er denn auch am Verbrennungs-Ghat vorbeilaufen wolle? Er sagt ja sicher, und wenn's ihm zuviel wird, das machen wir so ab, dann gehen wir einfach schnell weiter. Wir nähern uns dem Harishandra Ghat und erstaunlicherweise hat es nur ein kleines Feuer das noch lodert, aber sehen tun wir nichts. Ich denke, das ist auch gut so und wir laufen weiter.
Am Dasashwamedh Ghat angekommen, frage ich Louis, ob wir Sanjay, den Seidenhändler, noch besuchen wollen. Also machen wir einen Abstecher in die dunkeln, engen Gässchen - diese sehen kaum je einen Sonnenstrahl - der Altstadt von Benares. Sanjay kommt uns schon entgegen, er muss noch Blumen und Prashat (Süssigkeiten) einkaufen, für die Puja seines Shops. Täglich erneuert er die Blumen für seine Götter und hält eine kleine Puja. Dies damit die Geschäfte gut laufen, aber auch dass sein Shop gut beschützt wird von den Göttern Lakshmi & Ganesha. Sanjay's Shop ist ein kleiner "Würfel" von ca. 2x2x3 Metern. Der Boden ist komplett mit weichen, weissen Matten ausgelegt und an den Wänden sind Kissen, damit die Kundschaft, und vor allem auch der Ladeninhaber selber, gemütlich am Boden höckeln kann sich dazu anlehnen und seinen Tschai geniessen. Der Shop ist vom Boden bis zur Decke vollgestopft mit Kleidern, Tüchern, Schals und Seidenstoffen aller Art. Vor dem Betreten des Shops werden die Schuhe ausgezogen, wie in vielen Läden hier üblich, vor allem in den ganz kleinen wie dieser. Es ist wie immer sehr gemütlich bei Sanjay, er bestellt Tschai und wir plaudern lange.
Plötzlich kommen Louis und Sanjay auf die tollkühnsten Ideen und spinnen Pläne, wie sie zusammen in der Schweiz "geschäften" könnten: Sie könnten ein indisches Restaurant eröffnen (Achtung Sebi, Konkurrenz naht…), oder nur ein Take-away, da hätte Louis schon seinen kleinen Shop unter der Rutschbahn Zuhause, oder einen Seidenladen eröffnen und so weiter. Sie spinnen Ideen und Louis Augen hören nicht mehr auf zu leuchten vor Begeisterung… Zwischendurch muss ich Louis noch darauf aufmerksam machen, dass er die Schule noch beenden muss. Kein Problem, die Geschäfte macht er dann in seiner Freizeit und in den Ferien… Plötzlich sagt Sanjay, aber zuerst müsse Louis ihm noch eine Frau suchen, sonst könne er dann nicht in der Schweiz bleiben. Schon bald haben wir eine gute Partie in Aussicht und Louis ist hell begeistert und findet, das wäre genau die richtige Frau für Sanjay. So könnte sein Freund dann auch für immer in der Schweiz bleiben… Es ist eine wahre Freude, den beiden beim Pläne schmieden zuzuhören, sie könnten glaube ich noch Stunden weiter palavern, aber nach ca. zwei Stunden schlage ich vor aufzubrechen, wir wollen ja schliesslich noch etwas weiter den Ghats entlang gehen. Louis und ich gehen dann noch in einem pikfeinen (versehentlich!) Restaurant etwas trinken. Es hat eine wunderschöne Dachterasse mit tollem Ausblick über Varanasi. Sonst ist es eher nicht mein Geschmack, zu pikfein. Louis gefällt es aber extrem gut, er möchte am liebsten mal hier essen gehen, was aber nicht ganz unserem Familienbudget entspricht. Dann besuchen wir den Nepali-Tempel, welcher mit vielen Holzschnitzereien verziert ist und ganz einfach ausgestattet.
Er gefällt uns gut in seiner Einfachheit. Bald schon nähern wir uns dem zweiten Verbrennungs-Ghat: Das Jallahsay Ghat besser bekannt als Manikarnika Ghat, welches eigentlich direkt neben dem Jallahsay Ghat liegt, aber fast immer mit diesem gleichgesetzt wird. Schon bevor wir am Ghat sind, werden wir von einem jungen Mann angesprochen, der uns zeigt, wo wir durchgehen sollen, weil ich als Frau bei den ausschliesslich männlichen Familienangehörigen nicht geduldet werde. Er sagt von Anfang an, dass er kein Geld will, dass wir aber am Schluss etwas Geld geben können für Holz für die Armen Leute die hier im "Sterbehospitz" auf den Tod warten, keine Angehörigen haben und die trotzdem verbrennt werden möchten. Er schleust uns durch die verschiedenen Männergruppen und durch Berge von Holz durch, in ein Haus, von welchem er uns diverse Informationen über dieses Verbrennungs-Ghat gibt. Im Schutze dieses Hauses können wir aus sicherer Distanz die verschiedenen Feuer mit den Verstorbenen beobachten und aus der Ferne ist es auch für Louis kein Problem. Zuoberst im Hause angekommen liegt eine alte Frau am Boden und schläft. Unser Führer erklärt uns, dass dies die Frau ist, die sich um die sterbenden im Hospitz kümmert, zusammen mit ihrem Mann, der im Tempel drinnen am Schlafen ist. Die Frau wird aufgeweckt, sie segnet Louis und mich und wir legen unsere Rupien in ihr Körbchen. Dann gehen wir wieder nach draussen und entfernen uns wieder von diesem Ghat. Ich bin froh, waren wir nicht so nahe dran wie damals, als ich alleine am Harishandra Ghat war und über eine Stunde den in den verschiedensten Stadien brennenden Feuer zugeschaut habe. Das war sehr eindrücklich und ging mir unter die Haut!
Wir entschliessen uns, heute noch als letzten - Louis ist richtig süchtig nach Tempeln - den Annapurna Tempel zu besuchen. Dieser soll gerade neben dem Goldenen Tempel liegen, welchen wir gestern Abend besucht haben. Tatsächlich kommen wir wieder an vielen Polizisten vorbei und sind plötzlich wieder am Gate No.2 wie gestern Nacht. Ein Annapurna-Priester fängt uns ab und nachdem wir Gepäck, Fotoapparat, Handy und Schuhe wieder abgegeben haben, bringt er uns in den Annapurna Tempel. Wortlos eilt er im Sauseschritt mit uns durch den Tempel, wir haben keine Chance auch nur irgendwo stehen zu bleiben und als er wieder mit uns heraus will, protestiere ich und sage, wir wollen zuerst noch etwas drinnen bleiben und uns umsehen. Das akzeptiert er, aber wir dürfen an keinem der kleinen Tempel anhalten und sind bald wieder draussen. Als er mit uns noch in den Goldenen Tempel will (komisch, dass das heute so einfach geht, im Gegensatz zu gestern…) lehnen wir ab, der Typ würde uns wahrscheinlich unser Feeling von gestern nur verpatzen. Zurück bei unserem Hab und Gut streckt er mir dann seinen Ausweis unter die Nase und erklärt mir, sie seien 11 Priester, die hier arbeiten und gelebt haben wollen, ich soll ihm 500.- Rupien bezahlen. Ja hallo, da ist er aber an die falsche dumme Touristin geraten! Ich habe 10 Rupien bereit, die er nicht annehmen will. Er versucht es nochmals und ich erkläre ihm, dass er kein Priester mit Herz sei, sondern lediglich auf's Geld gierig, was er natürlich gar nicht gerne hört, aber den Nagel genau auf den Kopf trifft. Widerwillig zieht er mit den 10.- Rupien ab! Für so eine Abfertigung wären sogar 5.- Rupien noch genug gewesen! Allen Göttern sei Dank sind wir mit diesem Scharlatan nicht noch in den Goldenen Tempel gegangen. Wir machen uns auf den Rückweg nach Godowlia und lassen uns von einer Velorikshaw wieder nach Lanka bringen, wo wir noch unsere Einkäufe tätigen und auf den Schulbus warten.
Wir haben in den letzten 24 Stunden soviel erleben dürfen, dass wir noch voller Eindrücke sind. Diese Stadt hat noch so viel zu bieten und wir freuen uns auf die nächsten Abenteuer.
(Claudia)

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Bilder vom Assi Ghat

Vergangenen Sonntag sind wir wieder einmal in der Stadt. Am Assi-Ghat ist was los. Mehr dazu kommt dann hoffentlich bald von Sämi...

Hier erst mal ein paar Bilder. Einfach zum Dreinschauen:









Während Examen

So, nun hat auch Louis seinen Text noch geschrieben:

IQ Toys
Ich war bei den IQ Toys, und zuerst habe ich Sanshej Geholfen und am Nachmittag wollte ich Sachen machen mit der Dekupiersäge aber da kommt doch schon Ram. Er kann sehr gut mit der Dekupiersäge arbeiten, und dann hat er geschwind ein Vogel gemalt und ihn ausgesägt und dann noch ein Delfin, ein L für Lui und noch ein Kreuz für eine Kette. Übrigens ich kann schon mit der Dekupiersäge arbeiten und mit der Ständerbohrmaschine.

Am Nächsten Tag mache ich für den neuen Ping-Pong Tisch Ping-Pong Schläger Sie kommen wirklich wunderschön heraus bei den Griffen ist es sogar ein bisschen wellig, dass man eine gute Griffhaltung hat.

Bakery
Ich war in der Bakery, und habe beim Teig in die Körner Mixen geholfen, die Bleche aus dem Ofen nehmen, die Brote einpacken, und stempeln. Am nächsten Tag machten wir Biscuit's und ich half beim Ausstechen und beim Teig essen.


Art und Design
Ich war im Art und Design gewesen und habe eine Kette für Claudia gemacht und habe Hiralal geholfen und Sushil beim Malen zugeschaut.


Canteen
ich war in der Canteen gewesen, und habe zuerst beim Schneiden geholfen und habe einen Rekord von der Familie erstellt: Ich habe über 60 Zwiebeln geschnitten
und viele Auberginen geschnitten und dann beim Kochen zugeschaut.
(Louis)

Dienstag, 15. Dezember 2009

Friedliche Adventszeit ohne Hektik

Der Dezember hier ist heuer wunderbar mild und einfach so anders. Die Leute, gross wie klein geniessen die warme Sonne und begeben sich nach draussen, wann immer möglich. So ist unsere grosse Spielwiese jetzt oft belegt mit den verschiedensten Gruppen: Fast täglich von den Nursery-Kindern, die dort ihren Morgen verbringen mit Bildern ausmalen an ihren kleinen Tischchen und auf den Matten oder sich bei Ball- und anderen Bewegungsspielen austoben. Es herrscht immer reges Treiben bei den Kleinsten hier im Kiran, eine Freude, ihnen zuzuschauen.

Die Physio ist ab und zu draussen anzutreffen, Sitzungen werden im Freien abgehalten, genäht und gestrickt wird an der warmen Sonne, Schulklassen kommen aus den Klassenzimmern heraus und die immer hart arbeitenden, fleissigen Gärtner sind am Zurückschneiden, Jäten, Anpflanzen, Bewässern und halten das schöne Kiran stets als wunderbare grüne Oase aufrecht, als Ort der Erholung.

Es hat natürlich auch noch einen anderen Grund, dass wir uns möglichst viel draussen aufhalten, denn in den Räumen drinnen ist es jetzt mehrheitlich unangenehm kühl, sodass wir uns in den Häusern schon mal warm anziehen müssen. Die InderInnen sind jetzt oft in warmen Schals, Tüchern, Pullovern und Mützen anzutreffen, die sie meist auch draussen nicht abziehen. Das finde ich immer ein lustiger Anblick: Die Sonne scheint, ich bin kurzärmlig und mir ist wohlig warm, während die meisten Kiran-Leute in ihren warmen Kleidern herumlaufen… Für sie ist es im Moment eher kühl, es ist ja schliesslich Winter! Am Morgen früh - dann, wenn wir Ischis eh noch schlafen, wir stehen ja nicht um 05.00 Uhr auf wie die meisten Leute hier - und am Abend wird es dann kühler. Dann ziehen auch wir unsere Jäcklis an und ab und zu mal die Wollsocken. Für den Moment genügt das noch, die langen Unterhosen brauchen wir noch nicht.



Ja und dann wäre ja da noch die Weihnachtszeit! Wir haben zwar inzwischen auch einen Adventskalender mit Türchen, einige Fensterbilder mit Weihnachtsmotiven und Weihnachtspäckli aus der Schweiz erhalten. Die liegen neben dem Adventsgesteck und den Krippenfiguren bereit und werden an Heiligenabend dann geöffnet. So richtig "weihnächteln" will es hier aber nicht. Wir sind einfach nicht in der Stimmung dazu, es ist viel zu warm für eine Weihnachten wie wir sie gewohnt sind und wir werden auch gar nicht abgelenkt von den Geschäftern, die hier natürlich überhaupt nicht den Weihnachtsverkauf ankurbeln wie in der Schweiz. So wissen wir auch noch nicht, wie wir schlussendlich Weihnachten feiern werden. Auf jeden Fall wird gefeiert, aber ganz sicher in einem bescheidenen, noch nie dagewesenen Rahmen - und es wird gut sein so!
(Claudia)

Hier noch ein paar Fotos:

Geschenk-Idee zu Weihnachten

Im Moment mangelt es an Gas. So wird kurzerhand ein Holzherd erstellt und draussen gekocht...


Rahul sieht schlecht, drum haben wir ihm eine kleine Hilfe für seine Gewichte erstellt.

Wägen macht Spass!


But how much is it now?