Samstag, 9. Januar 2010

Trip to Nepal

Am Dienstag, 5. Januar 2010 essen wir zum vorläufig letzten Mal im Girls-Hostel. Zum Schluss wird es ein sehr tränenreicher Abschied, obwohl wir ja im Sinn haben, möglichst bald und vor allem vor dem 27. Januar 2010 wieder zurückzukommen. Aber es ist noch schwierig, das allen klar zu machen und selbst diejenigen, welche es verstehen, haben Mühe mit dem Gedanken, dass wir morgen früh abreisen.

Unser Guesthouse sieht schon ziemlich leer aus, weil wenn wir dann wirklich 2 Monate ausserhalb Indiens verbringen müssen, soll es dann auch für andere Gäste bewohnbar sein. Alice und Louis schieben eine riesen Krise, heulen wie die Kiranhunde und wollen nicht weg von hier. Alice hat schon den ganzen Tag Durchfall und Bauchweh und musste auch Erbrechen. Das kann ja heiter werden für unsere 2-tägige Busreise! Aber Alice meint, das sei kein Problem.
Das Packen fällt schwer und es ist schon spät abends. Ich bin froh, hat Claudia tagsüber das Ganze super organisiert, währenddem ich im Büro noch letzte Feuerwehrübungen gemacht habe, vergeblich nach hoffnungsvollen neuen Infos bezüglich der Indien-Visas suchte und nachmittags in die Stadt gefahren bin, um die nötigen US-Dollars für das Nepal-Visum zu wechseln, die Busreise zu reservieren und gleichzeitig der neuen Voluntärin Geraldine eine erste Orientierung in Varanasi zu geben.

Anderntags um halb sechs geht der Wecker, wir stehen noch etwas mühsam auf, packen unsere Sachen und Brijmohanlal, unser Fahrer steht schon zehn Minuten vor der abgemachten Zeit im Türrahmen. Es ist noch dunkel und das Kiran ist noch ganz verschlafen. So wie in den letzten zwei Tagen übrigens auch tagsüber, denn die Schule war zu. Warum? Es war "kältefrei"!
Auf der Fahrt zur Busstation erzählt Brijmohanlal, dass er früher oft die Fahrt von Varanasi nach Kathmandu als Chauffeur gemacht habe: "Very nice and very hill", meint er.
An der Busstation angekommen, entleert Alice nochmals spontan ihren Magen und Darm. Zum Glück ist Wasser in der Nähe und wir haben ja auch Ersatzkleider dabei...

Vor der Abfahrt gibt es ein im Preis inbegriffenes Frühstück: Tschai und ein Toastsandwich mit Rührei. Wir haben ja die Luxusvariante im Touristenbus gewählt. Da ist nebst der 2-tägigen Busfahrt eben auch dieses Frühstück und sogar die Übernachtung in Sonauli inbegriffen. Alles für 700 Rupien pro Person, also etwa 15 Franken.
Der Bus sieht ganz komfortabel aus und als wir einsteigen, sind sogar noch die Plätze direkt hinter der Fahrerkabine frei, so dass wir eine super Panorama-Sicht haben. Während der Fahrt sitzen Alice und Louis zwischendurch sogar bei den Fahrern vorne.

Die Strassen in Indien sind schlecht und die vielen Lastwagen und auch die meisten anderen Fahrzeuge sind langsamer unterwegs als unser Bus. So besteht die ganze Fahrt aus unzähligen Überholmanövern. Unser Chauffeur hat die Sache aber gut im Griff und wir sind uns ja auch schon einiges an indischem Fahrstil gewöhnt. Mühsam wird es erst, als es dann schon langsam eindunkelt. Auf der Strasse hat es Fussgänger, Velofahrer, Ochsengespanne, Handkarren und was weiss ich nicht noch alles. Alle ohne Licht. Dazu kommen noch Leute, die am Strassenrand sitzen. Und all die entgegenkommenden Fahrzeuge, welche Licht haben, blenden derart stark, dass man praktisch nichts mehr sieht. Für einmal finde ich es positiv, dass der Fahrer seinen Paan im Mund kaut. Das Zeugs scheint ihn auf alle Fälle wach zu halten.
Im Grenzkaff Sonauli angekommen, müssen wir unser Gepäck schultern und zu Fuss zuerst zum indischen Immigration-Office (also es ist mehr oder weniger einfach ein Tisch, der im Freien steht) gehen, wo wir den ganzen Formalitätenkram auf einem Formular ausfüllen müssen. Bei uns dauert das natürlich immer länger, weil wir zu fünft sind. Sämi füllt sein Formular selber aus, ein weiteres praxisbezogenes Beispiel zum Englischlernen. Dann geht es weiter zum nepalesischen Posten, wo sich das Ganze wiederholt, ausser dass wir da gerade zwei, inhaltlich fast identische, Formulare ausfüllen müssen und noch pro Person 40 US-$ bezahlen. Wir feilschen und so bezahlen wir für Alice nichts und für Louis nur 30 $, so dass wir doch wenigstens etwas sparen können. Wir wählen mal die Visa-Variante für 30 Tage, weil es für mehr als 30 Tage 100 $ pro Person kosten würde. Zudem kommt ein kleiner Hoffnungsschimmer auf, als ich von einem nach Indien einreisenden Mann erfahre, dass man im Moment nur 30 Tage bleiben müsse und die Bestimmungen fast täglich wieder ein wenig geändert werden.
Ziemlich müde kommen wir in unser Hotel, das sich, wie schon vorausgeahnt, als ein einziges, kaltes Dreckloch entpuppt. Nur Louis findet das Hotel noch schön!?! Wir haben ein schmutziges, wenigstens grosses Doppelbett, ohne Decken, dafür mit grossen schmuddeligen Kissen. Es ist saumässig kalt und trotzdem schwirren hier drinnen Hunderte von Moskitos in der Luft. Mit Sämi und Louis gehe ich noch runter um etwas zu essen, Claudia und Alice gehen schon schlafen. Das Essen ist okay. Vor dem ins Bett gehen, kann ich noch eine Moskitospirale organisieren. Dann geht es ab ins Bett, in voller Kleidermontur. Wir haben einen dünnen Schlafsack, den wir uns offen ausgebreitet teilen. Für mich reicht es nicht mehr. So schlüpfe ich mit meinen Beinen in die Ärmel meiner Regenjacke (ja ich weiss, ich hätte halt noch lange Unterhosen kaufen müssen) binde mir meinen Schal wie eine Mumie um den Kopf, stecke meine Hände tief in meine Faserpelzjacke und versuche zu schlafen. Om! An schlafen ist kaum zu denken. Draussen kläffen Hunde, dröhnen und hupen Lastwagen und es ist ja soooo kalt. Ich kriege Kopfschmerzen, die immer stärker werden und beneide den Rest meiner Familie, welche den Schlaf gefunden zu haben scheint. Irgendwie muss ich fast lachen, so absurd ist diese Situation. Irgendwann schlafe ich dann doch noch ein. Als ich aufwache, hämmert mein Kopf immer noch und es ist immer noch schweinemässig kalt. Ein Blick auf die Uhr und ich denke "Sch..., erst 4 Uhr!" Noch selten habe ich den Wecker so sehr ersehnt.
Endlich klopft es kurz vor sechs Uhr an der Türe. Hurra, aufstehen! Kurz ein Tschai und ein Toast gegessen und dann heisst es einladen. Anstelle unseres Indien-Touristenbusses steht jetzt da ein nepalesischer. So ein richtig "schöner", wie man ihn von Bildern her kennt. Die Sitze sind aber bequem, wenn auch meine Beine nicht mehr ganz so schön Platz haben. Draussen ist es feuchtneblig und wir sind froh, endlich von hier weg zu kommen. Zu Beginn ist unser Bus nur etwa zu zwei Drittel voll. Sämi und Louis sitzen fast zuvorderst, Claudia und Alice direkt vor mir und ich habe zwei Sitze für mich. Der Fahrer gibt ziemlich Gas, der Beifahrer lehnt sich an der offenen Türe weit hinaus und hält Ausschau auf potentielle Kunden am Strassenrand. Sobald diese im Nebel auftauchen, wird abrupt gebremst, kurz verhandelt und dann wieder weitergefahren. Dieses abrupte Bremsen hat auch seine beruhigende Seite: "Die Bremsen funktionieren gut, das ist doch schon etwas." Langsam füllt sich der Bus immer wie mehr. Die Gegend draussen sieht ziemlich trostlos aus und es scheint, dass auch der Fahrer diese möglichst schnell hinter sich bringen will. Es ist übrigens auch das Gebiet, in dem es vor Weihnachten wiederholt zu Unruhen gekommen ist. Louis kommt auch zu uns nach hinten und meint "Dä freset wäuts i däm Näbu!", Sämi bleibt auf seinem Logensitz vorne. Alice kommt zu mir, mit ihr zusammen kann ich noch ziemlich bequem sitzen.



Nach einer Weile zeigen sich langsam erste Sonnenstrahlen, die sich durch die Nebeldecke kämpfen und die Umgebung sieht schon freundlicher aus. Neben den Strassen sehen wir überall Leute, die um ein Feuer herum sitzen und sich in der morgendlichen Kälte etwas aufwärmen. Auch sie haben wahrscheinlich die meisten eine kalte Nacht hinter sich.

Plötzlich taucht der erste Hügelzug auf und es kommt uns fast vor, es müsste der Jura sein, so ähnlich sieht dieser aus. Wald, endlich wieder richtiger Wald. Und soviel Grün, es ist wunderbar! Das Tempo unserer Fahrt geht merklich zurück. Nicht etwa weil das Krisengebiet hinter uns liegt oder weil der Fahrer die schöne Umgebung geniessen will, nein, es geht jetzt ziemlich bergauf. "Very hill!", halt. Zu unserem Erstaunen sind die Strassen hier in Nepal in einem viel besseren Zustand als beim "grossen Bruder" Indien. Die Leute hier sind übrigens sehr nett und haben fast immer ein Lächeln in ihrem Gesicht. Und auch die Landschaft lächelt uns zu. Nach dem Jura-Feeling kommt es uns vor, als wären wir im Tessin. Zwischendurch wähnen wir uns auf der Route des Gorges in der Ardèche.



Die ersten Terrassenfelder tauchen auf, eindrücklich und wunderschön anzusehen. Sie tragen dieser Gegend ihren typischen Stempel auf. Und schon bald zeigen sich in der Ferne die ersten Schneeberge.


Der Bus ist proppevoll, einige Passagiere stehen, andere sitzen auf Reissäcken.

Ab und zu gibt es einen Halt, sei dies weil Leute ein- oder aussteigen oder weil Rast gemacht wird, um etwas zu kaufen. Es scheint schon im vornerein klar zu sein, wo angehalten wird. Denn überall ist alles schon bereit, um die Gäste zu bewirten. Dieses Gefühl hatte ich schon am Vortag auf der Indienstrecke. Vielleicht sieht es aber auch nur so aus und die vielen Imbiss-Stellen sind einfach den ganzen Tag ready, um die Leute schnellstmöglich mit Essen versorgen zu können, weil all zu viel Zeit will man auf so einer langen Fahrt ja nicht verlieren. Es ist übrigens unglaublich, wie viele Reisebusse nebst den unzähligen Lastwagen unterwegs sind. Man merkt, dass hier alles auf der Strasse transportiert wird und einfach viel mehr Leute ein Transportbedürfnis haben.








Irgendeinmal hat Sämi die "glorreiche" Idee, auf seinen Sitzplatz zu verzichten, da er nun genug vom Sitzen habe und stehen wolle. Alle Überredungskünste helfen nichts und auch der Hinweis, dass wir sicher noch etwa fünf bis sechs Stunden im Bus unterwegs sein werden, fruchtet nicht. Aber schon bald ist das coole Stehen und sich rumschütteln lassen nicht mehr so toll. Sämi sieht seinen Fehler ein und quetscht sich abwechslungsweise bei Claudia und Louis und bei Alice und mir auf die sonst schon etwas knappen Sitze. Ja, ja, er hat es jetzt begriffen und sieht ein, dass es ein Fehler war. Aber in seinem Alter wird es halt immer wie schwieriger, den Rat seiner Eltern zu akzeptieren. "Jetz puber-täts de öppe" lässt grüssen. Nach etwa drei Stunden wird dann aber wieder ein Platz frei und wir werden erlöst.
Die Schneeberge kommen immer näher,die Sonne scheint sich langsam verabschieden zu wollen. Wir überqueren einen letzten Pass und da wird plötzlich der Blick frei: Kathmandu!
Die Stadt wirkt auf den ersten Blick nicht sehr einladend. Aber "Kathmandu!". Dieser Name hat irgend etwas Spezielles. Auch diesen Namen kenne ich seit meiner Kindheit. Es gibt so Namen, die mir einfach bleiben, wie zum Beispiel auch Ouagadougou, Marrakesh oder Ganges.

Indien - Kathmandu – Hippies!
Kathmandu – Trekking – Mount Everest!
Kathmandu – Stau - ...

Ja, wir stecken im Stau. Und zwar ziemlich. Etwa eine Stunde oder so. Aber niemanden scheint es zu stören. Langsam wird es immer dunkler. Und eigentlich hasse ich es bei Dunkelheit irgendwo an einem fremden Ort anzukommen, weil mir dann die Orientierung fehlt. Was soll's, wir können es nicht ändern.
Schliesslich kommen wir doch noch beim Bus-Bahnhof an. Es ist stockdunkel. Wir finden doch bald ein Taxi. Der erste Taxifahrer hat keinen blassen Schimmer, wo unser Guesthouse liegen könnte, obwohl wir die Adresse und einen kleinen Plan des Quartiers haben. Der zweite scheint wenigstens zu wissen, wo ungefähr das sein könnte. Er tönt nicht sehr überzeugend, aber wir steigen trotzdem ein. Der Taxometer gehe nicht und es herrsche "very big traffic". Auf dieser Basis handeln wir einen Preis aus, der für beide etwa stimmt. Wir haben eh keine Ahnung wie weit es ist und was für Preisverhältnisse hier herrschen. Aber wir wollen jetzt einfach zum Guesthouse kommen. Nur kurz sind wir im big traffic, es geht kaum vorwärts und unser Fahrer biegt in kleine Nebengassen ab, in denen wir uns langsam durchschlängeln. Ab und zu fragt der Fahrer nach dem Weg und als wir in der richtigen Region zu sein scheinen, ruft er mit seinem Handy (unseres funktioniert ausserhalb Indiens nicht) im Hotel an und lässt sich an den richtigen Ort lotsen. Und wirklich, in einer dunklen Nebengasse (es herrscht gerade Stromausfall – wir fühlen uns "zu Hause") finden wir schliesslich das Himalaya's Guest House. Der Service stimmt also. Wir beziehen zwei Doppelzimmer, die zwar nicht wirklich sauber sind, aber nach der letzten Nacht ist alles okay, was einigermassen nach Hotel oder so aussieht. Wir gehen noch schnell auf die Gasse, um etwas zu essen und an einem ATM (Bancomat) nepalesische Rupien zu tanken. Wir finden in einer dunklen Strasse tatsächlich einen Bancomaten und es funktioniert wieder einmal mehr super. Die EC-Karte ist wirklich grandios und erspart uns mühsames Geldwechseln oder Schecks eintauschen. Mit dem Essen ist es so eine andere Sache. Wir langen ziemlich daneben. Der Service ist miserabel. Schon bei den Getränken funktioniert es nicht. Claudia kriegt ihre Frühlingsrollen als erste. Als sie fertig ist, kommen irgendwann meine Momos und die Kinder, welche am meisten Hunger haben, warten eine Ewigkeit auf ihre Pizza. Sämi will die Übung schon lange abbrechen, weil er einfach zu müde ist. Als die Pizzas endlich kommen, sind diese erst noch kaum essbar. Super! Wahrscheinlich mussten sie sie noch irgendwo auswärts kaufen gehen. Naja, wir sind ja auch ganz schön verwöhnt, von den feinen Vatikaa-Pizzas am Assi Ghat in Varanasi...
Müde gehen wir zu Bett und sind gespannt darauf, wie sich uns Kathmandu bei Tageslicht präsentieren wird.
(Rémy)

3 Kommentare:

  1. Hallo zusammen
    Spannender könnte es nicht sein und welch ein Wechselbad der Gefühle, vorallem für die Kinder. Wir sind froh, dass ihr gut angekommen seid. Viel Glück für das Abenteuer Kathmandu wo es sicher wieder viel Interessantes zu sehen gibt.
    Machets guet und heit Sorg.
    Grosi und Grospapa

    AntwortenLöschen
  2. Mega interessant, ich habe so richtig mitgefühlt, igitt. Super, dass eure Reise so gut geklappt hat und ihr gut und heil angekommen seit. Viel Spass in Kathmandu. Bis bald
    Liebi Grüess aus der ebenfalls kalten Schweiz
    Nicolette

    AntwortenLöschen
  3. Hallo an euch,

    ich freue mich, dass ihr wohlauf seid. Nach längerem Abtauchen melde ich mich wieder zur Stelle. Danke für eure Mail.

    Super, wie ihr die Situation meistert. Ich würde euch am liebsten mit dicken handgestrickten Pullover und Socken aushelfen. Oder gibt es das nicht auch in Nepal?

    Take care!

    Marion&Co

    AntwortenLöschen