Dienstag, 26. Januar 2010

Zeitvertreib in Kathmandu

Ja, wir sind immer noch im Tibet-Guest-House in Kathmandu. Wir sind ja so froh, dass jeden Tag die Sonne scheint, denn unsere "Sozialkompetenz" wird im Moment recht herausgefordert, sind wir uns halt nicht gewohnt, wie die Inder und die Nepalesen zu fünft in nur einem Zimmer zu leben... Zum Glück haben wir ja noch die Dachterrasse...

Inzwischen ist uns auch klar, warum unsere Husten so hartnäckig sind, und auch trotz zwei Flaschen Hustensirup und homöopathischen Globuli nicht verschwinden wollen. Die Luft in Kathmandu ist (das hätte ich nicht geglaubt, wenn ich es hier nicht selber erleben würde) tatsächlich nochmals eine Megastufe schlechter und verschmutzter als in Varanasi. Wahnsinn! In Varanasi trifft man viele Touristen an, welche mit Mundschutz herumlaufen (ob welchen wir uns immer amüsiert haben) hier laufen viel mehr Menschen mit Mundschutz herum, vorwiegend die Nepalesen selber. So sind also unsere Lungen non-stop damit beschäftigt, den Schmutz und die Schadstoffe die sich in ihnen ablagern wollen irgendwie wieder nach draussen zu befördern, langsam haben wir uns daran gewöhnt.

Wir haben inzwischen auch von den teuren Touristen-Taxis (RS 250-300) auf die viel billigeren Mini-Busse (RS 10-15 p.Pers.) als Transportmittel umgestellt. Die sind zwar immer total überfüllt, so zwischen 20-25 Personen in einem Toyota-Minibus, aber dafür auch viel "nepalesischer". So haben wir uns am letzten Freitag in einen solchen Bus gstürzt und uns aufgemacht Richtung Pashupatinath. Das ist Nepals wichtigster Hindu Tempel überhaupt und auch einer der wichtigsten Shiva-Tempel auf dem Subkontinent.


Als Nicht-Hindus durften wir den Tempel zwar nicht betreten, wir sahen aber den riesigen, goldenen "Hintern" von Shivas Bullen "Nandi" – auch sehr imposant! Am heiligen Bagmati Fluss nehmen die Hindus auch Verbrennungen vor, wie wir sie von Varanasi her kennen. Wir haben sehr lange einem Ritual zugeschaut, von einer verstorbenen Frau, die von ihren Angehörigen zum Fluss gebracht wurde. Es war sehr berührend, wie die Familie von ihr Abschied genommen hat, wie sie sie entkleidet haben, um sie dann in schöne Tücher zu wickeln, mit fein duftenden Pulvern (wie u.a. Sandelholz) zu bestreuen und andere Opfer darzubringen. Mir ging dieser Abschied sehr nahe. Was nicht sehr feierlich war, war der "Tätschmeister", der die ganze Zeit lauthals herumgeschrien hat um Anweisungen zu geben. Rémy meinte nur trocken: "Also den könnt ihr dann bei meiner Verbrennung weglassen..." Alice und ich haben tiefschürfende Gespräche übers Sterben geführt und ich finde es schön, wie der Tod hier nicht im stillen Kämmerlein von statten geht, sondern wie hier alle daran teilnehmen und wie der verstorbene Körper nicht versteckt wird, sondern im Zentrum steht und natürlich behandelt wird. Wir erkunden noch das weitläufige Gelände, schlendern zwischen unzähligen, kleinen Shiva-Tempeln hindurch, welche mit noch unzähligeren Affen übersät sind. Unser Zvieri nehmen wir in einem Park ausserhalb des Tempelgeländes. Plötzlich bewegt sich eine Affenfamilie auf uns zu und wir kännen gerade noch in Windeseile unser Zvieri in Sicherheit bringen. Ich bin gerade dabei, den Kindern zu sagen, sie sollen ihre Schoggibrote ganz gut festhalten und nahe an den Körper nehmen, aber da ist es auch schon zu spät für Louis Brötchen: Ein dreister Affe schnappt ihm einfach sein Zvieri aus der Hand... Louis staunt nicht schlecht, es ging so schnell! Er wollte doch gerade ... und Schwupps!

Zur Zeit schlafen wir oft aus, nehmen auf der Dachterrasse gemütlich unser Zmorge, machen anschliessend Hausaufgaben und manchmal noch einen kleinen oder grösseren Ausflug. Da wir fast täglich mit unserem "Visakontaktmann" in Verbindung stehen, liegen keine grösseren Ausflüge drin, wir wollen "ready" sein, falls er Neuigkeiten hat oder uns braucht. Am Abend essen wir dann immer in einem Restaurant Znacht. Das geht zwar ganz schön an die Finanzen, obwohl es natürlich für Schweizerische Verhältnisse hier immer noch viel günstiger ist, aber es gilt ja auch noch das Guest-House, die Wäsche etc. zu bezahlen. Wir wollten ursprünglich nur ca. 2 Wochen in Nepal bleiben, jetzt sind wir schon 20 Tage hier und es werden voraussichtlich noch weitere 2-3 Wochen werden...

Am Sonntag treffen wir uns dann endlich mit Franziska in Bouddha.

Franziska war vor vielen Jahren auch mal Voluntärin im Kiran und lebt und studiert seit vier Jahren in Bouddha in einem Kloster Buddhismus und Tibetismus. Die Kinder freuen sich vor allem, wiedermal mit jemandem in schweizerdeutsch reden zu können. Wir alle freuen uns, endlich die grösste Stupa der Welt bewundern zu können.
Swayambhunath, welche majestätisch auf einem hohen Hügel steht, war schon sehr eindrücklich, und nun noch Bouddhanath! Franziska führt uns durch einen Hintereingang zur Stupa. So können wir das Eintrittsgeld sparen. Das ist drum etwas mühsam hier in Kathmandu, denn bei fast allen Sehenswürdigkeiten (die meisten hier sind UNESCO-Weltkulturerbe) werden wir westliche Touristen ganz schön abgezockt, während alle anderen nichts bezahlen. Wenn wir dann zu fünft daherkommen, geht das ganz schön ins Geld und da geht schon mal ein Nachtessen für die ganze Familie drauf. Wir sind ganz überrascht, dass die Stupa inmitten von Häusern eingebettet steht, wir hatten das Gefühl, sie steht frei... Sie ist wunderschön und gigantisch. Die Ruhe, die sie aussstrahlt ist unglaublich. Majestätisch wie ein Berg steht sie da: Hier bin ich und hier bleibe ich. Auch die Budda-Augen tragen das ihrige zur Wirkung bei. Wir bedauern richtig, dass wir nicht mehr Hintergrundwissen über den Buddhismus besitzen, alles ist so interessant. In Franziska haben wir natürlich die beste "Reiseleiterin", die wir uns nur wünschen können. Die Kinder und wir "bombardieren" sie regelrecht mit unseren Fragen und sie gibt uns kompetent und in einer für uns verständlichen Sprache Auskunft. Wir laufen um die Stupa herum, drehen viele Gebetsmühlen und geniessen die Atmosphäre. Zwischendurch kommt es uns vor wie auf dem Markusplatz in Venedig, mit den vielen Tauben, Restaurants und Shops.


Es herrscht eine friedliche "Ferienstimmung". Franziska engagiert sich auch für die Strassenhunde in Bouddha und überall treffen wir auf ihre Schützlinge, die sie und die Kinder natürlich immer begrüssen und liebkosen müssen. Dann begeben wir uns auf den Weg zu Franziskas tibetischer Familie, bei welcher sie ein Zimmer bewohnt. Zuerst machen wir noch einen Abstecher zum Kloster, in welchem Franziska studiert.

Franziska lebt mit der Mutter, zwei Söhnen, einer Tochter und einem Enkelkind zusammen in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit Küche. Wir werden herzlich begrüsst. Alice und auch die Jungs sind natürlich hin und weg von den beiden Hunden und der Katze die auch noch in der Familie wohnen. Welch Paradies für Alice, kann sie einmal mehr ihre Tierliebe voll und ganz ausleben... Die Tochter tischt uns eine herrliche, tibetische Mahlzeit auf: Reis, Gemüse und Dhaal, lecker. Nachher spielen wir noch ein "Rummi" in Franziskas Zimmer. Das Zimmer gehört zwar nicht nur Franziska, denn der "Schrein", also die Götterstatuen, sozusagen der Altar, steht auch noch im Zimmer, sowie diverse andere Gegenstände der Familie. Eigentlich besitzt Franziska nur ihr Bett, einen Tisch und ihre Bücher. Meist schläft auch noch jemand von der Familie in ihrem Zimmer, denn sie hat ja ein Zimmer für sich "alleine", während sich die anderen fünf ein Zimmer teilen müssten... Wir sind tief beeindruckt von Franziskas Lebensweise! Wasser läuft aus dem Küchenhahn schon lange keines mehr, der Hausmeister müsste die Leitung mal flicken lassen. Auch in der Dusche, welche ein kleiner Raum auf dem Balkon draussen ist, und für die Bewohner von vier Wohnungen ist, fliesst kein Wasser, schon gar kein warmes! Einmal mehr wird uns unser Luxus und unser hoher Schweizer Lebensstandard voll und ganz bewusst! Zum Schluss gibt es noch tibetischen Tee zu trinken. Dieser ist jedoch etwas gewöhnungsbedürftig, schmeckt er doch eher salzig und hat nicht viel mit unserem Verständnis von Tee zu tun. Er ist eher vergleichbar mit einer Art Bouillon. Es braucht wohl etwas länger Zeit und "Übung", um sich an diesen Geschmack zu gewöhnen. Franziska begleitet uns nochmals zur Stupa zurück, denn wir wollen sie natürlich noch dreimal umrunden. Jetzt ist es Abend und es hat viel mehr Leute, welche die Stupa umrunden. Am Morgen früh und abends sind die Hauptzeiten für die Buddhisten.
Welch interessanter und eindrücklicher Tag. Mit all dem Erlebten begeben wir uns wieder in einen vollgestopften Minibus nach Hause.

Am Montag hängen wir den ganzen Tag mehr oder weniger im Guest-House herum und wir begeben uns erst gegen Abend auf einen längeren Spaziergang. Wir gehen nochmals ca. 45 Min. nach Swayambhunath. Diesmal wollen wir die Stupa zu Fuss entlang des Hügels umrunden.




Wir drehen unzählige Gebetsmühlen und geniessen die Ruhe. Wir besuchen auch nochmals die Stupa Swayambhunath und weil jetzt schon nach 18h ist, haben die meisten Händler ihre Shops schon zusammengeräumt und es hat auch praktisch keine Touristen mehr. Es ist wunderbar ruhig und angenehm. Endlich mal niemand, der uns irgend etwas verkaufen will, natürlich immer für "good price"... Wir geniessen nochmals die Stimmung und die Aussicht, bevor wir uns wieder auf den Abstieg begeben, um die drei grossen goldenen Buddha Statuen auf der anderen Seite des Hügels noch zu besuchen. Inzwischen ist es stockdunkel und mystisch schön. Wieder drehen wir unzählige Gebetsmühlen. Nicht alle sind so gross wie diese hier:
Die drei Statuen von Avalokiteshvara, Amithaba und Padmasambhava sind gigantisch! Wie sie da beleuchtet auf uns herniederschauen ist eindrücklich. Wir sind beeindruckt und lassen die Stimmung auf uns wirken.
Dann zünden wir jedes ein "Butterlämpli" an und nehmen den Heimweg wieder unter die Füsse. Unser Abendspaziergang hat drei Stunden gedauert und hungrig freuen wir uns auf den Znacht. Heute ist erstaunlich "früh" Ruhe in unserem Zimmer und die Kinder schlafen schnell ein...

Heute Dienstag lernen wir Claudia von der Swiss-Nepal-family kennen. Sie ist am Sonntag mit ihren vier Töchtern aus der Schweiz zurückgekehrt. Unsere Kinder sind ganz aufgeregt und möchten ihre Kinder unbedingt kennenlernen. Claudia lädt uns auch ein, sie mal bei sich zuhause besuchen zu kommen und Alice findet spontan, sie möchte ihren Geburtstag gerne mit ihren Töchtern zusammen verbringen... So werden wir also in zwei Tagen Alices Geburri zusammen mit vier anderen Schweizerkindern – und wieder einem Hund, welch Glück für Alice – feiern. Unsere Kinder sind total happy und können es kaum erwarten, bis Donnerstag wird! So ist es für unsere Kinder gar nicht mehr so schlimm, dass sie morgen am Kiran Geburtstagsfest nicht teilnehmen können...
(Claudia)

3 Kommentare:

  1. Liebi Familie Ischi!
    Interessiert lesen wir Eure Berichte und sind immer wieder am Staunen.
    Euch alles Gute, viel Gfreuts und viele, spannende Erlebnisse.

    PS: Dr Luki loht dr Sämi ganz lieb lo grüesse!

    LIebi Grüess vo Iris, Dani, Florian und Lukas S.

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  2. Liebe Alice
    Ich wünsche dir alles Liebe und Gute zu deinem 7. Geburtstag, lass dich von allen so richtig verwöhnen! Bei uns schneit es und vielleicht reicht es sogar, damit die Kinder schlitteln gehen können. Die Filmtage gehen heute zu Ende, es waren dieses Jahr sehr intensive, anstrengende Tage. Ich habe eine Menge gute, lustige, traurige, interessante, spannende Filme gesehen, auch einen über den grössten Slum in Mumbai.
    E grosse Schmutz und es feschts Drücki
    Yvonne

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  3. Liebe Ischis

    Schön, eure lebendigen und farbigen Schilderungen von euren Abenteuern in Nepal. Ich wünsche euch noch viele tolle Erlebnisse und natürlich, dass ihr mit der Bürokratie endlich z'Bode kommt.

    Die Filmtage waren sehr intensiv, aber ohne euch natürlich schon etwas fad. Aber nächstes Jahr seid ihr ja hoffentlich wieder mit dabei.

    Alice gratuliere ich ganz herzlich zum Geburtstag. Ist halt schon etwas trocken, so auf Distanz und auf elektronischem Weg. Aber die Gschänkli holen wir dann im Sommer nach. Auf alle Fälle wünsche ich Dir alles Gute und noch viele schöne und bleibenden Eindrücke und Erlebnisse.

    Liebe Grüsse Götti Adi

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