Sonntag, 28. März 2010

Mysore

Nach einer angenehmen Nacht-Zugfahrt im Sleeper (alle in einem eigenen Bett!!!) kommen wir am Samstagmorgen früh in Mysore an. Zu erwähnen ist übrigens noch, dass wir vorher im Regionalzug von Hospet nach Hubli gefahren sind. Die Fahrt dauerte 4 Stunden und wir bezahlten für alle fünf unglaubliche 90 Rupien, also etwa 2 Franken. Wenn ich daran denke, dass man bei uns für dieses Geld nicht einmal zur nächsten Bushaltestelle fahren kann...
Mit einem Taxi fahren wir zum ersten Low-Budget-Hotel, welches wir in unserem Reiseführer ausgesucht haben. Und bald zeigt sich, dass dieser nicht mehr ganz auf aktuellstem Stand ist. Das billige Travellerhotel mit nur 8 Zimmer hat sich inzwischen in einen supermodernen Luxustempel verwandelt und die Preise sind dementsprechend ausserhalb unseres Budgets. Ein Rikschafahrer bietet uns an, uns für 15 Rupien ein paar Hotels zu zeigen. Das nächste auf unserer Liste ist nur noch eine Ruine, wie uns der Rikschafahrer versichert und uns beim Vorbeifahren auch noch zeigt. Okay, der Typ erzählt uns keinen Schmarren. Nach dem "Besichtigen" von 4 Hotels entscheiden wir uns für das Chandra Palace. Und weil sie vielleicht "zu müde" sind, um noch zusätzliche Matratzen ins Zimmer zu schleppen, kriegen die Kinder für einen Aufpreis von 100 Rupien sogar ihr eigenes Zimmer (oh Schreck, mit TV und Dauerstrom – die armen Kinderchen). Trotz verführerischer Flimmerkiste machen wir uns auf die Socken, um die Stadt zu erkunden. Als erstes besuchen wir den Devaraja-Markt, der zu den farbenprächtigsten in Südindien gehört. Schon bald bleiben wir an einem Duftöl- und Räucherstäbchen-Stand hängen und lassen uns das Ganze drum und dran erklären. Der Typ ist sehr sympathisch und auch sehr clever. Also das geht so: Zuerst wird man von einem Typen ganz zufällig nach dem üblichen "which-country"-Muster angehauen. Dieser führt einen dann zu diesem Marktstand und dort wird als Erstes ein Schweizer Gästebuch gezeigt. Der Typ hat doch tatsächlich von unzähligen Ländern solche Gästebücher. Von allen Kunden macht er ein Foto, die dann zu den Einträgen geklebt wird. Das wirkt natürlich super. Zum Schluss wird dann versichert, dass es sich um einwandfreie Ware handelt und wir ja nicht bei den anderen Ständen einkaufen sollten, wo die Ware zum halben Preis angeboten wird, weil die die feinen Düfte panschen und so weiter und so fort... Ja, wir werden dann wohl erst zu Hause merken, ob's stimmt oder nicht. Wir schlendern dann noch etwas durch den Markt und knipsen, was das Zeug hält.
Mir graut schon jetzt davor, all diese Fotos irgendwann mal auf eine vernünftige Anzahl zu reduzieren.

Nach einem kurzen Abstecher zurück ins Hotel, brechen wir auf zum Highlight von Mysore, dem Maharadja-Palast. Auch hier werden wir weiterhin mit der etwas sehr mühsamen, scheinbar Mysore-typischen Begebenheit konfrontiert: Überall und ständig werden wir angequatscht von irgendwelchen Typen, die uns irgendwas (hier meist Sandalwood-Produkte wie Fächer und Schnitzereien) verkaufen oder zeigen wollen. "Hello, which country?" "Switzerland? Nice place, which part french, german?" Und wenn wir dann "german" sagen, kommt sofort ein "Hallo wie geht's" oder einmal sogar ein "Chuchichäschtli" zurück. Am Anfang ist das ganz kurz noch lustig, aber jedesmal bringst du die Typen fast nicht mehr los. Irgendeinmal kommen wir dann halt aus "Ouagadougou" und die Kerle sind mit ihrem Latein am Ende ;-)

Der Palast ist wirklich ein Highlight. Zuerst müssen wir zwar noch weit um ihn herumspazieren, da nur ein Eingangstor im Süden offen ist. Es ist schon sehr heiss. Die Kinder machen aber tapfer mit, obwohl ihre Eltern ja eigentlich schon ein bisschen "gaga" sind, denn eine Ritschka würde nur etwa 10 oder 15 Rupien kosten. Wahrscheinlich haben sie einen Sparstrumpf gefressen. Nein, wir ziehen das jetzt einfach durch, schliesslich sind wir ja für ein ganzes Jahr ohne Einkommen und da zählt halt jede Rupie. Zudem machen wir ja körperlich sonst gar nichts und so bleiben wir etwas in Form. Als Ausländer müssen wir natürlich wieder das zehnfache Eintrittsgeld bezahlen (200 Rs). Immerhin sind Louis und Alice gratis und ein Audio-Guide ist erst noch im Preis inbegriffen. Wir machen uns darauf gefasst, dass das Ding ja wahrscheinlich sowieso nicht funktioniert. Aber ohalätz! Die Geräte funktionieren einwandfrei, der deutsche Text ist von einem Sprachprofi gesprochen, sehr interessant und auch für die Kinder gut verständlich. Und: die Inder/innen müssen pro Gerät 100 Rupien bezahlen!
Der Palast ist wirklich unglaublich schön und prunkvoll und man fühlt sich zwischendurch wirklich in die "gute, alte" Zeit der Maharajas zurückversetzt. Nachdem der alte Holzpalast 1897 während einer Hochzeitsfeier aufgrund eines Küchenbrandes abgebrannt ist, wurde der neue "feuerfest" gebaut. Und es wurde an keinem Detail gespart. Leider durfte man im Innern nicht fotografieren, aber es gibt ja noch das Internet.

Heute Abend ist der Palast ausnahmsweise für eine halbe Stunde beleuchtet, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollen. Obwohl wir vorher nachgefragt haben und natürlich eine andere Antwort erhalten haben, scheint wiederum nur das Südtor offen zu sein. So stehen wir, als die Beleuchtung startet, zwar vor verschlossenen Toren, können aber das Spektakel trotzdem durch die grossen Gitter hindurch sehen. Wow, es ist wirklich wie aus "Tausendundeinernacht"! Und wieder machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum Südtor. Dort angekommen und kaum drinnen, gehen die Lichter wieder aus. Zum Trost gibt es ein Eis und eine Ritschka zurück ins Hotel.

Am Sonntag steht unser Ritschkafahrer vom Vortag pünktlich um 10 Uhr vor dem Hotel bereit. Wir haben abgemacht, dass er uns für 300 Rupien, die Sehenswürdigkeiten in und um Mysore zeigt. Als erstes nehmen wir den Chamundi Hill, einer der acht heiligen Berge Südindiens in Angriff. Schon bald merken wir, dass die Ritschka ihre besten Jahre bereits hinter sich hat und sich bei der ersten kleinsten Steigung, welche von Auge eigentlich gar nicht wahrnehmbar ist, schon arg ins Stottern kommt. Etwa so, wie wenn ich mit meiner alten Vespa versucht habe den Weissenstein zu erklimmen. Ich kann fast nicht glauben, dass wir es bis nach oben schaffen. Doch es gelingt. Zum Glück hat es keine Fussgänger unterwegs. Ich glaube, die hätten uns nebst all den anderen Fahrzeugen auch noch überholt. Mit unserem Fremdenführer vereinbaren wir, dass er unten auf uns warten soll. Wir wollen die tausend Treppenstufen nach unten zu Fuss zurücklegen. Oben schauen wir uns das Treiben an. Es hat viele Leute und man will uns auch hier alles mögliche andrehen. Wieder einmal besuchen wir einen Tempel, den Sri-Chamundeshvari-Tempel und bezahlen sogar 20 Rupien, um nicht in einer riesigen Schlange in der brütenden Hitze anstehen zu müssen.
Drinnen dann das selbe Bild, wie wir es auch in Varanasi schon erlebt haben. Massenabfertigung. Wir bleiben nicht lange. Vor dem Abstieg besuchen wir noch das kleine Godly-Museum. Vor dem Eingang hat es ein Plakat mit fürchterlichen Fotos von Menschen mit entsetzlichen Geschwüren und Entstellungen. Moralisch wird im Text darunter darauf hingewiesen, dass man so endet, wenn man Pan kaut, raucht, trinkt etc. "Willst du so enden?!?!" Natürlich müssen wir den Kindern hier einiges erklären... Im Innern werden einem plastisch alle Laster des weltlichen Lebens vor Augen geführt. Es sieht alles sehr kitschig und witzig aus, ist aber total ernst gemeint. Ein Führer, Guru, Priester oder was auch immer erklärt mir unaufgefordert, was das alles zu bedeuten habe. Der meint wohl ich könne nicht lesen?! Und er plappert und plappert und plappert und merkt gar nicht, dass ich ihm nicht zuhöre. Als ich ihn endlich los bin, fragt Claudia ihn nach dem Namen einer dargestellten Figur, welche wir schon draussen im Grossformatgesehen haben.
"It's not important" ist seine Antwort und dann quatscht er Claudia die Ohren voll, während ich mich mit den Kindern mal rausschleiche.

Der Abstieg mit den 1000 Treppen ist gar nicht so schlimm und recht kurzweilig. Es gibt Pilger, die machen das Ganze natürlich von unten nach oben und kennzeichnen jeden Tritt mit roter Pulverfarbe. Unten wartet unser lieber Führer schon und meint, wir hätten einen "long visit" gemacht. Als nächstes will er uns den Palast zeigen, dann noch eine katholische Kirche und dann noch einen Markt, wo wir shoppen könnten. Ich habe ihm schon am Vortag gesagt, dass wir den Palast schon besuchen werden. Katholische Kirchen haben wir zu Hause selber genug und shoppen können wir auch selber. Wir wollen noch etwas aus der Stadt raus, nach Srirangapatna. Das sei aber etwas weit, aber er könne das schon machen. Wir fahren los und er sagt noch etwas von "beim Vorbeifahren können wir noch schnell beim alten Markt vorbei und schauen, wie Duftöl und Räucherstäbchen..." "Nein", das haben wir schon gehabt. Er fährt unbeeindruckt weiter in die für meinen Orientierungssinn nicht ganz richtigen Richtung. Noch einmal fragt er nach, ob wir wirklich nicht Öl... "No!". Und ich merke schon, die Rechnung geht bei diesem Kerl nicht auf. Keine Provision auf dem Ölmarkt und auch keine Provision auf den Privatbussen nach Ooty, denn wir haben ihm schon mehrfach klargemacht, dass wir trotz seinen vielfältigen Gegenargumenten den viel günstigeren staatlichen Bus nehmen. Und so kommt es, wie es kommen muss: Plötzlich hält er an und sagt, wir müssten dort drüben den öffentlichen Bus nach Srirangapatna nehmen, das sei nämlich zu weit und hätte sonst einen Aufpreis von 400 Rupien zur Folge. Sein Programm für 300 Rupien sei hier zu Ende. Wir steigen aus und ich gebe ihm 200 Rupien, die er zuerst gar nicht annehmen will. Es sei nicht sein Problem, wenn wir nicht sein Programm wollen. Ich sage einfach entweder nimmst du die 200 Rupien jetzt oder du lässt es sein. 200 Rupien sind eh schon zuviel für das was du geleistet hast. Schliesslich nimmt er sie grimmig, sein Schuss (Plan) ging wohl ziemlich hinten raus. Louis, dessen Englischkenntnisse ausreichend sind zum Mithören, sagt anschliessend, dass er einen Moment lang noch gemeint hat, das sei ein freundlicher Typ, weil er das Geld (zuerst) gar nicht nehmen wollte.
Für uns ist klar. Mysore ist es für uns nicht wert, noch einen Tag länger zu bleiben. Den Höhepunkt, den Palast, haben wir besucht und seine märchenhafte Beleuchtung können wir heute nochmals eine Stunde lang geniessen.
Bevor wir zum Busbahnhof gehen und für nächsten Morgen die Tickets nach Ooty lösen, müssen wir unseren Hunger stillen. In einem typisch indischen Restaurant nehmen wir alle das Tagesmenu, eine Thali für 30 Rupien. Die Organisation dort ist lustig. Zuerst geht man an die Theke eins, wo man die Bestellung aufgibt. Dann geht man an die Thekezwei, wo der Kassazettel ausgedruckt wird. Mit diesem geht man wieder zurück zur Theke eins, wo man diesen abgibt und bezahlt. Erst dann setzt man sich an den Tisch. Das Essen kommt schnell und schmeckt vorzüglich. Der Hinterhof und die dortige Toilette riechen weniger vorzüglich... Wir diskutieren, mit wem wir wohl in einem solchen Restaurant essen könnten und mit wem eher und mit wem sicher nicht? Wohl die meisten würden schon an der Türschwelle dankend abwinken. Wir amüsieren uns darüber ;-) Als wir zum Dessert noch Glace wollen, wird es kompliziert. Es gibt vier Sorten: Vanilla, Chocolate, Pistak und Rasperry. Alle möchten natürlich zwei verschiedene Kugeln. Das sei nicht möglich, sagt man mir. Es gebe zwar vier Sorten und man könne auch anstatt eine, zwei Kugeln haben, aber immer nur von einer Sorte. Ich versuche zu erklären. Nach kurzer Zeit gebe ich auf und nehme bei meinen Lieben schmunzelnd die neue Bestellung auf. Also jetzt bei Theke eins bestellen, dann mit dem Zettel zu Theke zwei. Der Typ von Theke zwei ist gerade nicht da, da kommt der von Theke eins und nimmt mir den Bestellzettel wieder aus der Hand, geht zu Theke zwei, tippt den Kassenzettel, welchen er mir dann in die Hand drückt. Zurück bei Theke eins will ich ihm das Geld für das Eis geben, aber er sagt mir, dazu müsse er zuerst den Kassenzettel haben. Ich gebe ihm diesen, den er mir doch eben erst gerade noch in die Hand gedrückt hat zurück. Fein säuberlich wird der Kassenzettel auf ein Nagelbrett gesteckt und dann darf ich bezahlen. So geht das! Das Eis schmeckt übrigens vorzüglich. Die Toilette aber... Nein, das hatten wir ja schon!
Anschliessend machen wir noch eine kleine Siesta im Hotel, bevor wir uns zum dritten Mal zum Palast aufmachen.
Rechtzeitig und auf der richtigen Seite warten wir dann um 18.30 h, bis sich die Tore zum Palastpark öffnen. Das Palastorchester steht bereit. Es ist soweit. Im Palast gehen die Innenlichter aus und dann gibt es ein grosses "Oh!" und "Ah!" als die Lichter der Fassade zu leuchten beginnen.
Und die Marschmusik beginnt mit vollem Elan zu spielen. Die Marschmusik-Freunde mögen es uns verzeihen, wir wissen den richtigen Namen dieses ersten Stückes nicht. Aber für uns ist es nach kurzer Diskussion unverkennbar klar: "Fröilein, händ si mys Hündli gseh?"
Wir geniessen die schöne Stimmung im Park, bis die Lichter nach einer Stunde wieder ausgehen. Auf der Terasse des Shilpashri Restaurants stillen wir dann bei Kerzenlicht den letzten Hunger. Ein versöhnlicher Abschluss in Mysore.
(Rémy)

1 Kommentar:

  1. The Music is from the FILM "ON THE RIVER KWAI" with Alex Guiness as the STAR.

    AntwortenLöschen